Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
denke eher nicht. Meine Frau hat mir oft vorgeworfen, ich wäre ein schlechter Vater. Das stimmt absolut nicht. Ich habe alles getan, immer versucht, ein guter Vater zu sein. Ich bekam während meiner Ehe wenig Anerkennung, die ich gebraucht hätte. Ich habe mir Anerkennung und Zuneigung bei meinen Stammtischbrüdern in der Kneipe geholt. Im Moment versuche ich alles einzuordnen und dann den Weg einzuschlagen, der für mich am besten ist.
NATIONALSPIELER ULI BOROWKA
Meine Spiele für Deutschland
Die erste Nominierung in die Nationalmannschaft erhielt ich im Frühjahr 1981 in Form einer Aufforderung zur Musterung bei der Bundeswehr. Selbstverständlich hielt man mich für tauglich und meiner Meinung nach sprach damals auch nichts dagegen, meinen Grundwehrdienst bei der Bundeswehr abzuleisten. Die Frage, ob ich den Dienst verweigern sollte, stellte ich mir nicht. Warum auch? Als Sportler genoss ich beim Bund gewisse Privilegien. Im Oktober 1981 trabte ich in meiner Kaserne in Essen-Kupferdreh an, die drei Monate Grundwehrdienst würde ich hier in der Sportfördergruppe absolvieren. Als Spieler von Borussia Mönchengladbach verstand es sich von selbst, dass ich auch für die Bundeswehr-Nationalmannschaft spielen würde. Dort traf ich auf weitere spätere Bundesligakicker, unter anderem den heutigen BVB-Manager Michael Zorc, Ralf Lohse, Matthias Höhnerbach und Axel Brummer. Unser Trainer hieß Tony Pointinger, ein irrer Typ, aber dazu später mehr.
Zunächst hatte ich allerdings meinen Dienst an der Waffe zu leisten, mit ein paar Tricks konnte man den Grundwehrdienst schon damals auf sechs Wochen runterdampfen, ich aber zog die drei Monate komplett durch. Unter Hauptmann Zeilinger, einem bis über beide Ohren dekorierten Soldaten, galten wir bald als der härteste Zug der Kompanie. Jeden Morgen um sechs Uhr ließ uns der Hauptmann zum Frühsport antreten, und wenn wir dann mal ins Gelände marschierten, hatte jeder von uns einen Rucksack mit 20 Kilo Steinen zu schleppen. Häufig mussten wir Kameraden, die vor Erschöpfung kaum noch laufen konnten, die Rucksäcke abnehmen, nicht selten schleppte ich also 40 Kilo Gepäck durch die Gegend, um nach 20 Kilometern Marsch mit aufgeplatzten Blasen an den Füßen endlich das Lager zu erreichen. Obwohl – oder vielleicht gerade, weil – bekannt war, dass ich als Fußballer bereits eine gewisse Prominenz erlangt hatte, behandelten mich die Vorgesetzten wie jeden anderen Rekruten auch. Wenn meine Stube nicht ordnungsgemäß aufgeräumt war, flogen auch schon mal die fein säuberlich zusammengelegten Klamotten aus dem Spind und ich musste von vorne beginnen. Gerade an einem Freitagnachmittag eine höchst nervtötende Angelegenheit.
Vollversammlung der legendären Stube 101 (Uli ganz rechts). Und der Beweis dafür, dass man während der Grundausbildung bei der Bundeswehr Spaß haben kann – wenn nicht gerade der Vorgesetzte in der Nähe ist … © Uli Borowka privat
Eine bevorzugte Behandlung erhielten wir lediglich vom bereits erwähnten Tony Pointinger, der nicht nur für uns Fußballer, sondern generell alle in Essen-Kupferdreh stationierten Mitglieder der Sportfördergruppe zuständig war. Während die Kanuten, Leichtathleten oder Handballspieler die Haare nach Vorschrift tragen mussten – also raspelkurz – durften die Fußballer ihre zum Teil auffallend langen Mähnen behalten. Außerdem bekamen wir regelmäßig Ausgang, wenn unter der Woche ein Pokalspiel stattfand. Seine Großzügigkeit ließ sich Pointinger nicht selten mit ein paar Freikarten für das nächste Bundesligaspiel oder einem Satz neuer Trikots vergelten. Eine typische Szene spielte sich kurz nach meinem Grundwehrdienst ab, als bei einem für zehn Uhr angesetzten Treffen zwei Leichtathleten eine Minute zu spät kamen. Gab das einen Einlauf für die beiden Herren! Die Strafe folgte prompt: Erneuter Gang zum Friseur und Dienst am Wochenende. Wir Fußballer schmunzelten, denn da fehlte immer noch einer: Matthias Höhnerbach, damals beim 1. FC Köln aktiv. Um zehn nach zehn tauchte er endlich auf. Im Arm ein großes Paket. »Herr Pointinger«, begann Matthias seine Entschuldigung, »tut mir leid, dass ich zu spät gekommen bin. Aber ich musste noch zur Geschäftsstelle, um die Trikots hier abzuholen.« Pointingers Antwort: »Überhaupt kein Problem, Herr Höhnerbach!« Die Leichtathleten hätten uns wahrscheinlich am liebsten ihre Rucksacksteine an den Schädel geworfen.
Zwei Reisen
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