Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
Gesicht. Ich war jung. Ich war besoffen. Und ich war Deutscher Meister. Uli Borowka, Teil der besten Fußballmannschaft des Landes! Wer will es mir verübeln, dass ich mir vorkam, als sei ich der König der Welt.
Und die große Party war noch längst nicht beendet. Am nächsten Tag flogen wir zurück nach Bremen und verlagerten die Feier umgehend in »Die Butze«. Als wir am Samstag, also vier Tage nach unserem Meisterstück von Frankfurt, in Köln eintrafen, um das nun für uns unwichtige Spiel gegen den FC zu bestreiten, war der Promillegehalt bei allen Bremer Spielern weiterhin bedenklich hoch. Natürlich ließen wir es in der Nacht vor dem Spiel erneut krachen. Angeschickert marschierten wir am nächsten Tag durch ein Spalier von zähneknirschenden Kölnern auf das Spielfeld – und verloren ohne rechte Gegenwehr mit 0:2. Frank Ordenewitz, genannt »Otze«, holte sich in diesem Spiel immerhin noch einen Preis ab. Nach 50 Minuten prallte ein Kölner Schuss gegen seine Hand, der Schiedsrichter entschied auf Eckball Köln. Was tat Otze? Ging zum Schiri und sagte: »Herr Schiedsrichter, das war ein Handspiel.« Die Folge: Elfmeter für Köln, Tor von Littbarski. Otto tobte derweil am Spielfeldrand wie ein HB-Männchen. Und Otze bekam Monate später dafür einen Fairplay-Preis verliehen …
Zwei Spiele hatten wir noch zu überstehen, gegen den HSV verloren wir sang- und klanglos mit 1:4, hatten dafür aber endlich die Meisterschale in den Händen. Am letzten Spieltag schaute das bereits abgestiegene Schlusslicht Schalke 04 auf einen abschließenden Besuch bei uns vorbei, eigentlich die perfekte Gelegenheit, um Torwart Dieter Burdenski anständig zu verabschieden, der nach dieser Saison seine Karriere beenden wollte. Tagelang berichteten die Zeitungen von Buddes Abschiedsspiel, was wiederum Otto Rehhagel provozierte. Von den Medien wollte er sich nun wahrlich nicht die Aufstellung diktieren lassen! Er ließ den armen Budde einfach auf der Ersatzbank. Ein unwürdiges Ende für eine so überragende Saison und eine so großartige Laufbahn.
Ich fuhr nach Hause und setzte mich aufs Sofa im Wohnzimmer. Ließ den Fernseher aus. Machte das Kopfkino an. Dachte nach. Über den Abschied aus Mönchengladbach. Die Ankunft in Bremen. Rehhagel. Rune, Jonny, Olli, Thomas und Manni. Carmen. Mein Tor gegen Waldhof Mannheim am 26. Spieltag. Stuttgart und Bayern München. Spartak Moskau. Eintracht Frankfurt. Die geilen Partys mit den Jungs. Meine Eltern. Mein Leben. Gott und die Welt und Werder Bremen. Dann machte ich mir ein Bier auf.
Tagesbericht, Fachklinik Fredeburg
5. April 2000
Ich habe mich heute gefreut, weil Dr. Lanz keine Veränderungen in seinem Bericht vorgefunden hat. Das heißt für mich, dass alles in Ordnung ist. Der Cholesterin-Spiegel ist etwas höher als normal, aber das kenne ich ja schon seit 15 Jahren. Morgen wollte ich meinen Suchtbericht vortragen, sollte mich aber mit zwei Mitpatienten einigen. Ich bin nicht so vorgeprescht wie sonst und habe den zwei den Vortritt gelassen und werde den Bericht nächste Woche vortragen. Für mich ist das sehr gut, weil ich mich sonst immer in den Vordergrund gedrängt habe.
6. April 2000
Im Moment kommen immer mehr Neue nach oben. Ich hoffe, dass, wenn Rüdiger geht, ich einen Nichtschnarcher bekomme. In der Suchtgruppe waren Rückfragen und eine Neuvorstellung. Im Moment fällt mir ein bisschen die Decke auf den Kopf. Zum Glück ist Wochenende und Formel 1. Ach ja, Fußball kommt auch noch.
8. bis 9. April 2000
Der Arztvortrag am Samstag war mehr eine Geschichte, die einfach vorgelesen wurde. Da gefällt mir der Vortrag übers Nichtrauchen doch besser. Der Samstag und Sonntag waren sonst sehr ruhig. Manchmal denke ich, mir fällt die Decke auf den Kopf. Die anderen bekommen Besuch, ich bleibe meistens alleine. Am Sonntagmorgen habe ich noch ein bisschen gemalt. Ach ja, Schumi hat gewonnen, das war hervorragend. Mit meiner Frau habe ich noch telefoniert und auch mit den Kindern. Die Kinder vermissen mich sehr. Ich vermisse die beiden auch.
10. April 2000
Ich kann sagen, dass ich mir in den letzten Tagen viele Gedanken gemacht habe. Über meine Familie, über die Zeit nach der Therapie, über die Vergangenheit. Wenn ich daran denke, was ich alles hatte, und mit dem Alkohol nicht klarkam und damit alles aufs Spiel gesetzt habe. Ich denke sehr viel an meine Kinder, die ich lange nicht gesehen habe. Ob meine Ehe noch zu retten ist, weiß ich nicht genau. Ich
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