Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
die Sauna, um auszuschwitzen. Was für eine dämliche Idee! Gottlob reichte meine Kraft gerade so aus, um gegen meinen Gegenspieler, den flinken Bakero, doch noch ein ganz gutes Spiel zu machen. Durch das 2:0 hatten wir das Halbfinale erreicht!
Endlich schlug die Stimmung innerhalb der Mannschaft um. Unsere Leitwölfe Rudi Völler und Lothar Matthäus schafften es, die zerstrittenen Parteien für den Moment zu einigen, ein ganz neues Gefühl schwappte durch den Kader: Zuversicht. Diese Holländer, unser Gegner im Halbfinale, würden wir besiegen, dann wäre der Titel nur noch reine Formsache. Hoch motiviert empfingen wir unseren Nachbarn in Hamburg. Aber was war das für eine sensationelle Mannschaft! Koeman, Rijkaard, Gullit und van Basten bildeten eine Achse von außergewöhnlicher Qualität. Vor allem das Talent von Ruud Gullit durfte ich aus nächster Nähe bewundern: Ich war sein direkter Gegenspieler. Zwei-, dreimal schafft er es, mich auf der rechten Außenbahn zu düpieren, doch ansonsten, so glaubte ich anschließend, hatte ich eine anständige Leistung geboten. Wir verloren bekanntlich mit 2:1, für meine Zweikampfquote gegen Gullit konnte ich mir also nicht viel kaufen. Weil es Ronald Koeman gewagt hatte, sich nach dem Spiel mit dem Trikot von Olaf Thon den Hintern abzuwischen, kam es im Kabinentrakt fast noch zu einer Schlägerei. Jürgen Kohler, Klaus Augenthaler, Lothar Matthäus, ich, wir alle wollten die Holländer mit dieser Unverschämtheit nicht einfach so davonkommen lassen. Doch bis auf ein paar wilde Schubsereien passierte nicht mehr viel. Die heißen Köpfe mussten wir unter der Dusche abkühlen.
Ausgeschieden. Gegen Holland. Die Stimmung beim abendlichen Bankett mit bedrückt zu beschreiben, wäre untertrieben. Zumindest musste ich mir nicht vorwerfen, durch meine internationale Unerfahrenheit die Niederlage begünstigt zu haben. Dem Elfmeter für die Holländer war ein Zweikampf zwischen Kohler und van Basten vorausgegangen, und auch beim 2:1 kurz vor dem Ende war es das Schlüsselduell zwischen Manndecker und Angreifer gewesen, das die Partie letztlich entschieden hatte. Doch als ich in den kommenden Tagen die Zeitungen durchblätterte, staunte ich nicht schlecht: Gleich mehrfach wurde von verschiedenen Verantwortlichen aus dem Trainerstab mein Name erwähnt, als es darum ging, Gründe für die Halbfinalpleite zu nennen. Ganz klar: Man suchte einen Sündenbock, und weil ich in der Hackordnung der Nationalmannschaft noch ganz unten stand, griff man sich eben den Schwächsten. Das machte es sehr einfach. Wenn auch nicht für mich. Ich hatte vielleicht kein überragendes Turnier gespielt, aber als Hauptverantwortlicher für das vorzeitige Aus wollte ich mich nicht abstempeln lassen.
Ich hätte diese öffentliche Demütigung hinnehmen können. Wie ein Profi. Ich hätte mir sagen können: Dann musst du eben weiter an dir arbeiten und es denen beim nächsten Mal zeigen. So wie ich es in den Gladbacher Anfangsjahren schon so häufig getan hatte. Doch zu diesem Zeitpunkt war ich bereits ein gestandener Fußballer, ein erfolgreicher noch dazu. Kein Anfänger mehr, den man einfach so durch die Gegend schubsen konnte. Was tat ich also? Ich wurde wütend. Wenn die Herren vom DFB Krieg mit mir haben wollten, dann sollten sie ihn haben!
Für das erste Länderspiel nach der Europameisterschaft – am 31. August 1988 gegen Finnland – wurde ich nicht nominiert, was ich damals als eine persönliche Beleidigung empfand. Es mussten schon die Olympischen Spiele als Trostpflaster für mein waidwundes Ego herhalten. Kurz vor der Abreise nach Südkorea trafen wir uns mit der Mannschaft – zu der unter anderem Thomas Häßler, mein Kumpel Oliver Reck und Jürgen Klinsmann gehörten – und wurden standesgemäß eingekleidet. Jeder von uns erhielt einen riesigen Koffer mit Olympia-Ausgehanzug, Olympia-Trainingsklamotten, Olympia-Hut – die Organisatoren vom Komitee wussten schon, wie sie bei uns Vorfreude erzeugen konnten. Nach dem unrühmlichen Nachklapp bei der Europameisterschaft freute ich mich jedenfalls ungemein auf die Spiele in Seoul. Wann kam man denn schon mal zu der Ehre, sein Land bei Olympia zu vertreten?
Doch nun trat plötzlich ein ganz neues Problem auf, das mit Fußball nichts zu tun hatte. Carmen war hochschwanger, der Geburtstermin für unser erstes Kind war auf Anfang Oktober festgelegt worden. Eigentlich genügend Zeit für mich, um rechtzeitig zur Geburt wieder in Bremen zu sein,
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