Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
war nicht stark genug, um mir einzugestehen, dass mein selbst erbautes Image zu einem selbstzerstörerischen Image verkommen war. Jeder Zweikampf, jeder Gedanke an den nächsten Sieg, jeder Streit mit meiner Frau trieb mich mehr in die Sauferei. Eine fatale Spirale. Dem Spagat zwischen einem Leben als Fußballprofi und Privatmann war ich bald nicht mehr gewachsen. Als die achtziger Jahre zu Ende gingen, hatte sich mein Leben bereits in eine andere Richtung gedreht. Aber das konnte zu diesem Zeitpunkt niemand erkennen.
Am allerwenigsten ich selbst.
Tagesbericht, Fachklinik Fredeburg
15. bis 16. April 2000
Am Wochenende habe ich mich mit den Fragen von Frau Kirmes und mit mir beschäftigt. Ich bin sehr erstaunt, auf was ich alles gestoßen bin. Mit Gefühlen kann ich inzwischen doch ganz gut umgehen und diese zeigen. Das Gleiche gilt für Ärger und Enttäuschung. Für mich waren das ja bislang immer Fremdwörter, weil ein Uli Borowka doch keine Gefühle zeigen darf. Das hätte doch meinen Stolz verletzt bzw. meine Schwäche aufgedeckt. Das hätte ja schlecht für mich ausgehen können. Der harte und robuste Kerl auf dem Platz und dann auf einmal Gefühle und Schwäche zeigen – nein, das ging nicht. Jetzt bin ich endlich dazu in der Lage.
17. April 2000
Heute habe ich mit meiner Frau wegen dem Angehörigenseminar telefoniert. Ich war sehr überrascht, dass sie direkt zusagte, aber vorher noch mit Frau Kirmes sprechen will. Ich glaube, dass so ein Gespräch auch meiner Frau weiterhelfen könnte. Mich haben die Therapie und die vielen Gespräche in der Gruppe schon sehr nach vorne gebracht. Ich wollte immer mit dem Kopf durch die Wand, auch wenn es von vornherein schon sinnlos war. Wenn ich mir jetzt Ziele setze, dann nehme ich auch einen Umweg in Kauf. Ich muss oft an einen Spruch von Otto Rehhagel denken: Wut und Hass sind schlechte Ratgeber.
25. April 2000
Noch einmal dazu, dass meine Frau nun doch nicht kommt: Ich mache die Therapie für mich und denke auch, dass das gut ist. Aber ich habe mich wahnsinnig über meine Kinder gefreut und habe den beiden das auch gesagt.
26. April 2000
Ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll zu den Themen und Gruppenstunden. Ich spreche Themen an und zwei Mann sagen etwas. Mir kommt die Galle hoch, wenn ich hier eine Therapie machen will und der Rest guckt gelangweilt zu. Die klauen mir meine Therapiezeit und die meisten denken wahrscheinlich, dass sie gar keine Alkoholiker sind. Uwe habe ich angesprochen, weil ich dachte, dass er was zu sagen hätte. Scheiße, der hatte gar nichts zu sagen, der macht hier irgendetwas, aber keine Therapie! Genauso Ingo. Das geht mir auf die Nerven und macht mich wütend. Ich habe jetzt alles versucht, um Antworten zu bekommen, habe auch die anderen böse attackiert. Aber keine Rückmeldung. Ich finde keine Worte mehr und verliere auch so langsam die Lust, weil ich nur gebe und mir selber nichts aus den Gesprächen holen kann. Im Moment ist die Gruppe ein Scheißhaufen. Im Moment trete ich auf der Stelle.
MARADONA UND DAS RAMAZOTTI-BÄUERCHEN
Die Nachricht elektrisierte ganz Bremen: Maradona! Maradonas SSC Neapel im Achtelfinale des UEFA-Cups 1989/90 gegen Werder Bremen! In den Wochen vor dem Spiel war ich ein äußerst gefragter Mann, schließlich war mein (erfolgreiches) Duell mit dem besten Fußballer der Welt gerade einmal eineinhalb Jahre her. Damals hatte ich Diego mit der Nationalmannschaft gegenübergestanden. Jetzt also mit Werder. Auf ein Neues. Bevor wir am 22. November 1989 zum Hinspiel nach Neapel flogen, streichelte ich noch einmal meine Maradona-Trophäe, das blau-weiß gestreifte Trikot der argentinischen Nationalmannschaft.
Ich glaube nicht, dass sich Maradona noch an einen gewissen Uli Borowka erinnerte, eher nicht, aber das tat auch nicht viel zur Sache, denn für das Auswärtsspiel in Neapel hatte sich Rehhagel, typisch für ihn, etwas Neues einfallen lassen. Ich blieb auf meinem angestammten Platz in der Innenverteidigung und sollte mich um Neapels Mittelstürmer Carnevale kümmern, während unser Routinier Mirko Votava die Bewachung des Weltstars übernahm. Wie sich herausstellte, eine sehr gute Idee, doch das alleine war es nicht, was uns schließlich den Erfolg brachte. Die Italiener begingen den größten Fehler, den sich Klassemannschaften erlauben können: Sie waren überheblich wie neureiche Schnösel, die sich vor lauter Arroganz eine Niederlage nicht mal mehr vorstellen können. So eine Einstellung hat
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