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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kienzle
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etwas kritisiert und immer recht hat. Eins unterscheidet aber die beiden: Der bayerische Grantler braucht den Stammtisch. Der schwäbische Bruddler braucht kein Publikum. Der schimpft still vor sich hin. Und ein bisschen von diesem schwäbischen hat der Kluftinger auch.
    Ja, das stimmt. Er traut sich nicht ganz so. Er hat Zweifel. Irgendwie hat er Zweifel.
    Eine schwäbische Grund-Charaktereigenschaft. Da sind die Allgäuer sehr schwäbisch und unterscheiden sich nicht vom Stuttgarter.
    Na ja … Stuttgart – das ging früher ja gar nicht!
    Was war daran so schlimm?
    Den Stuttgarter Hexenkessel habe ich nie begriffen. Wie eine Stadt sich da ansiedeln kann! Wahrscheinlich, weil sie mal kleiner war, oder? Und der Dialekt! Dieses Verniedlichen. »Sodele«. »Jetzetle«.
    Das gibt es im Allgäu nicht?
    Da gibt es keine Verniedlichungen.
    Das ist eigentlich auch nicht typisch schwäbisch. Das hat ein Entertainer populär gemacht.
    War das der …
    Willy Reichert.
    Ach komm!
    Der hat das Schwabenimage bundesweit – oder zu Anfang: reichsweit – sehr erfolgreich gespielt und verkauft.
    Sodele! Da muss ich ja den Stuttgartern Abbitte leisten.
    Mittlerweile haben aber nicht die Stuttgarter, sondern die Bayern Schritt für Schritt das Allgäu übernommen.
    Das habe ich nie verstanden, wieso das denen gelungen ist.
    Das Allgäuerische ist also gegenüber dem Bayerischen auf dem Rückzug?
    Die ganze Region ist bayerisch vereinnahmt. Auf jeden Fall! In meiner Kindheit, das war so in den 60ern, 70ern, da war das noch nicht so dramatisch. Aber auch da spürte man schon den bayerischen Übergriff. Damals gab es den Strauß. Und dann kam Stoiber. Der hat das dann komplett weiß-blau eingestaubt.
    War Ihnen klar, was Sie damals waren? Waren Sie Schwabe oder Bayer?
    Bayer auf keinen Fall! Oberschwabe war auch schon komisch. Ich war ein Allgäuer! Man hatte immer das Gefühl: Das ist was ganz Besonderes. Was einen stark macht!
    Sind die Allgäuer politische Weicheier? Es gab nie einen Allgäuer Ministerpräsidenten in Bayern.
    Politisch ist die Region verschlafen. Das muss ich sagen. Aber die Sprache, das Allgäuerische, wird auch nicht angenommen von den Bayern. Weil der Bayer letztendlich dieses Schwäbische nicht akzeptiert – als heimatliche Sprache. Deswegen wird der Bayer als Wähler nie einen Allgäuer oder schwäbischen Politiker als Ministerpräsidenten akzeptieren. Das macht er nicht. Der müsste schon sehr gut sein. Der müsste politisch sehr viel drauf haben.
    Was ist schwäbisch an Ihnen?
    Ich glaube, dieses Eigenbrötlerische. Der eigenen Spur nachzuspüren, ob das jetzt richtig ist oder falsch. Und auch, wenn das noch so merkwürdig wirkt für den anderen. So ein Urvertrauen in sich selber. Was ich jetzt sage, hängt natürlich mit dem Allgäu zusammen. Aber vielleicht ist es auch etwas Schwäbisches: die eigenen Wege auszuloten im Leben und denen auch zu vertrauen.
    Als Schauspieler braucht man dazu auch Disziplin?
    Na ja, klar. Die habe ich mir schon geholt. Früher kam ich immer zu spät. Irgendwann hat mir dann ein Intendant gesagt, vor 30, 35 Jahren: »Herbert, ich brauche keinen genialen Schauspieler, ich brauche einen zuverlässigen. Du terrorisierst mit deinem Zuspätkommen das ganze Ensemble!«
    Aber ich muss zugeben: Diese Aufmerksamkeit hat mir schon gut getan – wenn die Tür aufging und alle guckten. »Tut mir leid, ey. Leute, sorry!« Dann hattest du schon deinen Auftritt. Das war immer meine Nummer. Immer zu spät. Auch früher: Die Klasse lacht und ich komme rein. Und der Lehrer stocksauer. Aber irgendwann habe ich geschnallt, dass das nicht geht. Ohne Zuverlässigkeit und Disziplin kannst du nicht 40 Jahre lang diesen Beruf ausüben.
    Was ist schwäbisch für Sie, gerade im Vergleich zum Bayerischen?
    Das ist wie beim Hasen und dem Igel. Für mich ist in dieser Geschichte immer der Schwabe der Igel gewesen. Der beobachtet und schaut zu. Und entwickelt eine Taktik. Und der Hase, der in seinem Größenwahn sagt, dass er der Schnellste in diesem Wald sei, der durchschaut das nicht. Und so ein bisschen empfinde ich den Schwaben: Er ist nicht immer auf der Überholspur. Er ist ein bisschen geduldiger, abwartender.
    Dem Schwaben wird auch seine Biederkeit vorgeworfen, das Ländliche. Es gibt ja keine wirkliche Stadt im Allgäu.
    In der Schule hieß meine Hauptstadt Augsburg. Im Regierungsbezirk Schwaben. Dort war durchaus schon was los in der Geschichte – die Fugger! 9
    Zu Zeiten der Fugger war Augsburg

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