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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kienzle
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die Weltwirtschaftsmetropole. Wie heute New York.
    Ich frage mich immer: Warum ist das noch nicht verfilmt worden? Vielleicht liegt es daran, weil es auf amerikanisch »Fucker« heißen würde? Eine großartige Geschichte eigentlich. »Who the fuck are the Fuggers? How did they get so much money?«
    Es ist vielleicht ein gewagter Sprung: Aber dabei fällt mir ein, dass der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth einmal gesagt hat: »Der Spartrieb des Schwaben ist ausgeprägter als sein Sexualtrieb!« Die Schwaben gelten als puristisch und verklemmt.
    Dieses nerdige 10 hat er ja komischerweise. Dieses »Käpsele« hat eine hohe Intelligenz – ist aber merkwürdig. Ein Dr. Guttenberg 11 kann besser hochstapeln. Ein Schwabe weniger. Das ist der Unterschied. Irgendwas bremst ihn.
    Erotik und Charme – das sind Begriffe, die man nicht selbstverständlich mit einem Schwaben in Verbindung bringt.
    Mir hat der Christoph Waltz 12 immer gesagt: »Herbert, wenn du Manieren hast, kannst du alles erreichen!« Ich hab eben keine wirklichen Manieren. Der Österreicher hat das. »Soll ich dir noch ein Glaserl einschenken? Magst noch was?« Diese Freundlichkeiten.
    Das ist dem Allgäuer nicht gegeben?
    Der Allgäuer ist eher ein Grobmotoriker. »Willscht jetzt no an Schluck? B’sorg dir doch selber das Zeug.« Manche Frauen mögen das – die sagen: »Mensch, der ist ja ein lässiger Typ.« Aber die meisten sagen: »Holzklotz.« Verrückterweise heiße ich ja Knaup – das heißt eigentlich Grobian. Etymologisch kommt es von Knauf – das ist das Ende vom Schwert. Der höhere Ritter hat zugestochen. Der Grobian aber hat nicht nur zugestochen, sondern das Schwert auch noch rausgezogen und dem Gegner mit dem Knauf auch noch eins auf die Nuss gegeben. Im »Entaklemmer« von Thaddäus Troll trägt die Hauptrolle den Namen meines Vaters: Karl Knaup. Mein Vater war ein Haudrauf, so ein Grobmotorischer, er war ja Schlosser. Der hat noch auf den Amboss geklopft.
    Heute leben Sie in Berlin.
    Ich denke oft: Was macht ein Schwabe hier oben? Für mich war es eine späte Entscheidung. Vor zehn Jahren habe ich mich in diesen Moloch gewagt. In diese Stadt, wo du denkst: »Was ist das eigentlich hier?« Aber was ich an Berlin liebe, sind diese einzelnen Kieze. Die sind ja wie eigene Städte. Du kannst da überall dein Glück finden. Das ist nicht nur ein Zentrum, sondern es gibt mehrere Zentren.
    Ich habe für den RBB mal einen Film gemacht über schwäbische Restaurants in Berlin. In Stuttgart finden Sie kaum noch schwäbische Restaurants – und in Berlin machen immer mehr auf. Das ist irritierend!
    Bei mir in der Nachbarschaft wohnt ein schwäbischer Kurde. Der fragt immer: »Herbert, mogscht a paar Mauldäschle?«. 13 Er sieht aus wie ein waschechter Kurde – und fragt mich auf Schwäbisch: »Herbert, mogscht a paar Mauldäschle?« Und dann kocht er sie – und sie schmecken!
    War es Ihnen zu spießig im Süden?
    In meiner Jugend habe ich im Allgäu auch ein paar Maler und Musiker getroffen, Künstler – das war auch die Zeit der Hippies. Da warst du in alten Bauernhäusern und du spürtest dieses Eigenwillige, das ich an diesem kleinen Bergvolk am Rand der Alpen so mag. Dieses Eigenwillige: »Du! Von dir lass ich mir gar nix sagen!« Diesen Moment! Und nach sieben Kilometern fängt schon eine neue Sprache an. Nur weil sich der Dialekt ein bisschen verschiebt. Dann sagen die Leute: »Wie schwätzt jetzt der da? Ist das ein Ausländer?« Obwohl er sich kaum unterscheidet.
    Zieht es Sie manchmal zurück?
    Heute bin ich drüber geflogen. Ich war gestern in Salzburg – und bin hierher geflogen. Dann fliegst du drüber und denkst dir: »Verdammt, was bist du eigentlich für ein Idiot! Wie kannst du?« Ich habe ja jetzt nochmals Nachwuchs – einen vierjährigen Sohn. Eigentlich müsste der permanent diese Grashalme spüren, die dreimal so dick sind wie anderswo. Diese Kraft, diese Power dieses Landstrichs.
    Es zieht Sie also doch zurück?
    Im Allgäu waren die Winter verrückt lang – vier, fünf Monate. Kurz vor der Eiszeit. Und im Sommer immer Regen – weil das Allgäu im Regenschatten der Berge liegt. Da kommen die Wolken rüber, und dann schüttet es. Deshalb bin ich da auch weggegangen. Als Kind dachte ich immer: Hinter den Bergen ist das Paradies. Du musst nur über diese riesigen Berge drüber – dann ist da Afrika. Aber da war nur Österreich …
    1 Arabisch für: Löwe (Kosename des Enkels des Propheten

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