Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)
toilette« Number One. Best of USA. Die Leute in Boston lassen sich fotografieren vor meiner Toilette! Das ist eine »public toilette from Germany«. Wahnsinn, oder?
(Er lacht.)
Die bewundern das, weil die Behinderten in den USA eine so ungeheure Lobby haben. Kein Produkt darf auf der Straße stehen, was nicht behindertengerecht ist.
Ist die Toilette also doch eines der drängendsten Probleme der Menschheit?
Wenn ich in eine Stadt komme, schaue ich erst mal: Was stehen da für Buswartehäuschen? Was stehen da für Toiletten? Wie sehen die öffentlichen Einrichtungen aus? Und zu meiner Freude stelle ich meistens fest: Sie sehen beschissen aus. Und wenn ich dann wieder zu Hause bin, schreibe ich sofort einen Brief an den Bürgermeister: »Ich kann das ändern! Ich habe etwas.« Da habe ich einen kleinen Koffer und da sind so kleine Modelle drin. Mit dem Koffer bin ich wie George Washington zur City Hall von New York hoch gelaufen. Dann hab ich ihn Fran Reiter auf den Tisch gestellt und ihn aufgeklappt. Sie war Deputy Mayor von Giuliani. 6
Wie war die Reaktion?
Ich habe gesagt: »Madame Mayor 7 , Sie wissen doch, wie es bei Ihnen aussieht!« Und es hat wirklich schlecht ausgesehen in New York! »Schauen Sie: So könnte es aussehen!« Dann habe ich mein Toilettenmodell auf ihren Schreibtisch hingestellt, daneben unsere Litfaßsäule, dann den Zeitungskiosk und dort das Buswartehäuschen. Alles stand vor ihr. Und als sie angefangen hat, sich das anzugucken, wusste ich: Jetzt haben wir sie! Ich habe aber nicht gesagt: »Geben Sie mir den Vertrag!« Ich habe wieder gesagt: »Machen Sie eine Ausschreibung!«
Man merkt: Es hat Ihnen Spaß gemacht.
Davon habe ich als Unternehmer gelebt. Schauen Sie: Unsere neuen Toiletten sind viel hygienischer, viel sauberer und die Stadt spart einen Haufen Geld. Und da habe ich mir gedacht: »Darauf kannst du eigentlich stolz sein.« Und wenn du dann auch noch Gewinne machst! Das ist meine Motivation. Ich halte ja jeden Monat Vorträge an der Universität und bei Stadtveranstaltungen. Und da stelle ich immer wieder fest, dass junge Leute Angst haben, sich selbstständig zu machen. Und wenn ich dann höre, wenn ein junger Mann zu mir sagt: »Herr Wall, die Startchancen bei uns sind doch nicht gegeben!« Dann sag ich: »In Ihrem Alter unterhalte ich mich doch nicht über Startchancen! Da bin ich einfach der Meinung: Ich bin der Beschde und baschda!«
Da brauchen Sie aber ein gutes Selbstbewusstsein!
Wenn die Jungen jetzt schon Angst haben, sich schon Gedanken über die Startchancen machen! In 30 Jahren können sie sich mal Gedanken machen, wie die Startchancen waren.
Sie sind ja doch ein etwas ungewöhnlicher Schwabe. Sie sind auch ein bekannter Mäzen. Sie stiften. Ist das nicht unschwäbisch? Die Schwaben halten ja ihr Geld doch eher zusammen.
Langsam! Die Schwaben sind nicht geizig – die sind nur sparsam. Die schmeißen das Geld nicht zum Fenster raus. Das ist ein himmelweiter Unterschied!
Sie tun Gutes?
Schauen Sie mal: Es nimmt doch keiner was mit. Wenn du zum Schluss alt bist und einen Haufen Geld hast – da kann man doch besser vorher gute Dinge bewegen.
Wir haben hier in Berlin mit einer Schwäbin gesprochen und die sagt: »Typisch schwäbisch ist, dass man sein Licht eher unter den Scheffel stellt.« Sie aber neigen schon dazu, auch zu zeigen, was Sie haben und Gutes tun. Sind Sie an diesem Punkt schon mehr Berliner als Schwabe?
Nein! Auch ich versuche, bescheiden zu sein. Ich bringe es zum Beispiel nicht fertig, mit einer Zwölfzylinder-Limousine nach Kreuzberg zu fahren. Bring ich einfach nicht fertig! Ich schäme mich. Ich habe so ein Auto gehabt und habe es wieder verkauft.
Wo kommt das her?
Es steckt in einem drin. Ich spüre förmlich, dass ich den Menschen auf die Nerven gehe, in so einer so dicken Limousine mit 500 PS. Und ich möchte denen nicht auf die Nerven gehen. Wenn ich im Biergarten sitze und es kommt einer mit so einem Auto an, da werde ich selber sauer. Irgendwie passt es einfach nicht in eine Zeit, wo man von Nachhaltigkeit redet. Gut, ich habe noch einen Lamborghini, ganz in Lila, den fahre ich aber sehr selten.
Eine Angeberkarre!
Das stimmt. Und ich will nicht auffallen.
Warum haben Sie den dann gekauft?
Weil er so schön aussieht. Der hat Allradantrieb. Der umweltfreundlichste Sportwagen der Welt.
Stellen wir fest: Es war eine Versuchung.
Ja.
Und der widerstehen Sie jetzt?
Vom Wannsee bis in die Stadt fahre ich mit dem
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