Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)
behindertengerecht sein. Das gab es auf der ganzen Welt noch nicht. Da kam schon das große »Das geht nicht!« Der Franzose, mein Hauptkonkurrent, hatte damals schon tausend Toiletten aufgebaut gehabt. Für den war klar: »Besser wie ich isch keiner.« Aber jetzt wird was gefordert, was auch er nicht hatte: eine Toilette, wo die nicht Behinderten und die Behinderten draufgehen können. Wenn Behinderte Sondertoiletten benutzen müssen, ist das ja eigentlich auch eine Unverschämtheit. Da haben wir gesagt: »Geht nicht, gibt’s nicht!« Dann habe ich mich mit Behinderten zusammengesetzt und zusammen mit meinen Ingenieuren haben wir das zur Produktion gebracht.
Dieser Erfindergeist – war das der Schwabe in Ihnen?
Ich hab zu meinen Leuten gesagt: »Kinder, wenn Atomraketen gebaut werden können, dann wird ja wohl auch eine Toilette gebaut werden können, wo sowohl Behinderte wie nicht Behinderte nutzen können! Das ist doch nur eine Platzfrage!« Und da kam uns die tolle Idee: »Mensch, wir machen die Toilettenschüssel schwenkbar.« Und plötzlich hatten wir nur noch den Platzbedarf einer Litfaßsäule. Sie werdet lacha: isch heut a Weltpatent!
Ein Weltpatent?
Dafür habe ich von der EU sogar den »Breaking Barriers Award« 2001 gewonnen.
Na also!
Preisverleihung in Brüssel.
(Er lacht herzlich und laut.)
Für eine Scheiß-Toilette!
(Er lacht.)
Und jetzt zahlt der Benutzer 50 Cent und der Senat zahlt gar nichts mehr? Sie reinigen die Toiletten und betreiben sie auf eigenes Risiko?
Wir haben natürlich auch noch Plakatflächen bekommen. Diese 50 Cent reichen natürlich bei Weitem nicht aus, um so ein hochtechnisches Produkt zu betreiben. Wenn Sie sich das angucken, was da an Hightech drinsteckt! Wenn die Plakatwerbung gut ausgelastet ist, machen wir Gewinne. Das muss auch so sein. Wenn sie schlecht ausgelastet ist, machen wir eben keine Gewinne – aber die Toiletten müssen wir trotzdem betreiben. Das Risiko ist nicht mehr beim Steuerzahler.
Sie haben ja mit Außenwerbung angefangen. Wie kamen Sie auf die Toilette?
Der Franzose war auch bei der Außenwerbung schon immer mein Hauptkonkurrent. Irgendwann hat er begonnen, Toilettenhäuschen anzubieten. Die Idee war einfach: Eine Firma baut der Stadt kostenlos saubere und formschöne öffentliche Klos und betreibt sie auf eigene Kosten. Die Firma finanziert das durch die Gebühren der Benutzer und durch Werbung. Das hat den Städten natürlich gut gefallen. Die anderen deutschen Außenwerber haben den Franzosen schlecht gemacht: »So was brauchen wir in Deutschland nicht.« Ich habe mir aber gedacht: »Mensch, der ist gar nicht schlecht. Aber ich müsste ein besseres Produkt haben!« Und dann habe ich angefangen …
Zu tüfteln?
Ich hab mir sein Patent kommen lassen. Ich wollte ja kein Patent verletzen. Schwaben sind keine Nachahmer! Abkupferer! Wir haben schon unseren Ehrgeiz. Ich habe dann auch die Nachteile der französischen Toilette schnell kapiert. Aber dann eine automatische Toilette zu bauen – da war ich eigentlich total überfordert.
Sie haben Ingenieure engagiert?
Noi – erst amol musst du das selber machen. Und dann musst du einen Ingenieur suchen, das ist klar. Aber erst einmal selber machen!
Sie sind also schon selber der Tüftler?
Ich habe ein Modell gemacht – aus Pappe. Für mich war die Toilette damit fertig – wenn du mal nachweisen kannst, dass das als Modell funktioniert, warum soll es im Original nicht auch funktionieren? Und mit dem Pappmodell bin ich zum Oberbürgermeister von Mannheim.
(Er lacht.)
Ich weiß noch, wie der komisch geguckt hat und der Franzose hat dann den Auftrag in Mannheim gekriegt. Ein paar Jahre später habe ich den Mannheimer OB dann bei einer Messe getroffen – in Osteuropa. Da kam er an unseren Stand – und da war das Ding fertig: die Wall-City-Toilette. Und da hat er zu mir gesagt: »Herr Wall, wenn ich gewusst hätte, dass Sie das schaffen, hätten Sie den Zuschlag bekommen! Aber ich habe damals nur Ihr Pappmodell gesehen.« Da habe ich gedacht: »Mensch, so kleinkariert!« Wenn ein Unternehmer schon einmal tolle Ideen hat – und dann glauben die Leute nicht, dass er es schafft!
Na ja, bei einem Pappmodell wäre ich auch vorsichtig gewesen …
Ach Kinder! Ihr müsst jungen Leuten mit Ideen Chancen geben! Da muss man einfach in der Lage sein, das zu beurteilen – den Mann und sein Produkt. Das muss man einfach sehen: Das schafft der! Ich habe nur gedacht: »Das kann doch nicht sein, dass der dir
Weitere Kostenlose Bücher