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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kienzle
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einer Heimatdefinition, was wir ja alle haben. Und doch sind wir irgendwie irgendwo. Sie haben ja auch schon verschiedene Stationen in Ihrem Leben erlebt. Sie wissen, wie es ist, wenn man Reisender ist. Und in der Schauspielerei gibt es ja immer so merkwürdige Ausflüge in andere Welten. Für mich ist der Begriff »Heimat« wirklich nochmal neu zu entdecken gewesen über den Dialekt.
    Das Schwäbische kann aber auch sehr brutal sein.
    Sehr brutal.
    In den Tübinger Gôgen-Witzen 2 wird das deutlich. Da gibt es einen ganz wunderbaren: Ein Professor verirrt sich auf die Wiese eines Weinbauern. Der sieht ihn und geht wutentbrannt auf ihn zu: »Wenn du ned sofort vom maim Stückle verschwindesch, no schlag i di o’gschpitzt in der Bode nai!« 3 Darauf sagt der völlig erschrockene Professor: »Guter Mann, was haben Sie denn? Ich gehe ja schon!« – »Deshalb sagt mers ja im Guta.« 4
    Ja, das Schwäbische kann derb und hart sein. Aber es kann auch sehr zärtlich sein. Und ich finde interessant, was es dabei mit einem selbst macht.
    Wo steckt im Schwäbischen Zärtlichkeit?
    In den Formen des Neckens, in den Verkleinerungen, in bestimmten Ausdrücken. Es gibt Ausdrücke, die sind so süß.
    Mai Budsele! 5
    Das ist so liebevoll. Und das kann man auch nicht übersetzen. Das hat für mich eine Erweiterung meines beruflichen Farbkastens mit sich gebracht. Ich hatte überhaupt nicht mehr über die Sprache meiner Kindheit nachgedacht.
    Haben Sie ein schwäbisches Lieblingswort?
    Schneggele mag ich. Das sage ich manchmal zu meinem Sohn. Er findet das leider überhaupt nicht witzig. Es gibt so süße Worte im Schwäbischen. Schneggele benutze ich oft.
    Gefühle zu zeigen ist ja nicht unbedingt schwäbisch.
    Ich glaube, dass man jetzt auf eine Generation schauen kann, die sich allmählich von der Konditionierung, was das Deutsche ist, befreien könnte. Ich erlebe heute eine Generation, die sich nach einem klaren Selbstbewusstsein sehnt. Ich spüre, wenn ich hierher zurückkomme – gerade weil ich zurückkomme, als Neig’schmeckte mit Wurzeln –, dass das Potenzial größer ist als das, was aktiv gelebt wird. Das hat auch damit zu tun, wie man mit der Sprache umgeht. Schwäbisch ist sexy! Wahrscheinlich ist alles sexy, was man von innen heraus vertritt. Das ist ja immer auch eine Frage, wie man das selber für sich empfindet.
    Sind die Schwaben verklemmt? Ein Satz wie »Ich liebe dich!« kommt einem richtigen Schwaben nicht über die Lippen.
    Das kann er nicht sagen. »I mog di« ist das höchste der Gefühle. Das stimmt – aber das ist doch schade!
    Der Schwabe hat ganz offensichtlich Hemmungen, Gefühle zu zeigen.
    Und sie auszudrücken, auch in Worten! Ich bin auch in diesem Geiste aufgewachsen. Auch in meinem Elternhaus gab es keine Inflation an verbalisierter Emotionalität. Aber ich glaube, dass das auch etwas mit der Generation zu tun hatte – nicht nur mit dem Schwäbischen. Seinem Kind ganz selbstverständlich zu sagen, dass man es liebt, das war vor 20 Jahren einfach noch nicht Usus. Und ich bin nicht in einem pietistischen Umfeld groß geworden! Ich bin in Bad Cannstatt aufgewachsen in einem reinen Frauenhaushalt.
    Mit schwäbischen Hausfrauen? Mit Großmutter, Mutter und Schwester?
    Urgroßmutter, Großmutter, Mutter und einer Schwester.
    Eine reine Weiberwirtschaft?
    Eine reine Weiberwirtschaft. Und ein kastrierter Kater. Aber es war ein liberales Haus – liberal nicht als ideologische Haltung, sondern aus einem Lebenspragmatismus heraus. Das ist vielleicht die viel schönere Variante.
    Wir haben darüber geredet: Verklemmt waren die Schwaben und Gefühle haben sie nicht ausdrücken können. Da ändert sich etwas, wie Sie es sehr schön beschrieben haben. Die Frage ist: Was wird daraus?
    (Sie lacht.)
Der entfesselte Schwabe. Ein sexuell aktives Wesen. Schau’n wir mal.
    Sie haben sich von Karl Lagerfeld für den »Playboy« fotografieren lassen. War das der endgültige Abschied von der schwäbischen Prüderie?
    Das hat damit gar nichts zu tun.
    Haben Sie sich geniert?
    Nein! Aber das Witzige ist: Das fragen mich immer alle. Der »Playboy« hat mich ja 15 Jahre lang gefragt – und ich hatte keine Lust dazu. Jetzt hatte ich Lust und jetzt finden es alle ganz toll.
    Das tut man aber ned, des g’hört sich ned!
    Das ist doch Quatsch! Das ist doch vollkommener Blödsinn. Nein, an dieser Stelle bin ich gar nicht mehr einzuschüchtern. Und mit schwäbisch hat das für mich auch nichts zu tun. Da sind wir

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