Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kienzle
Vom Netzwerk:
Weltbürger.
    Haben Sie Ihre Fraulichkeit also außerhalb Baden-Württembergs entdeckt?
    Das fing schon hier irgendwann mal an. Und dennoch: In meiner Jugend gab es keine Frauen, die mich in meiner Rolle als Frau maßgeblich beeinflusst haben – ganz unabhängig von meiner unmittelbaren Familie, die natürlich sehr frauengeprägt war. Ich wünschte mir, es wäre so gewesen.
    Frauenvorbilder gibt es nicht im Schwäbischen?
    Nicht in meinem Leben. Vielleicht gibt es sie, aber es gab sie nicht in meiner konkreten Biografie. Ich hatte mit Gesine Schwan mal ein Gespräch …
    Ich hab es gelesen.
    … und da dachte ich mir: so eine Frau, die dann auch generationenübergreifend ein Vorbild oder eine Inspiration gewesen wäre. So eine Mutmachfrau. Die gab es für mich hier in Schwaben in meiner Jugend nicht. Nicht in der Politik, und in der Kultur auch nicht. Ich glaube, es wäre schön, wenn es schwäbische Mutmachfrauen gäbe.
    Das größte Kompliment, das man einer Schwäbin machen kann, ist »Dui ischt a Schaffere«. Das sind die Vorbilder. Die schwäbischen Hausfrauen.
    Herr Kienzle! Das ist doch kein Widerspruch – eine Frau kann doch schaffen und trotzdem erotisch sein und in ihrem Frausein aufblühen! Oder wie sehen Sie das? Ich muss jetzt einen Schlenker machen, weil ich vor Kurzem in Afrika war. Ich war da in Nairobi – das hat jetzt nichts mit dem Schwäbischen zu tun, aber mit den Frauen im Speziellen.
    Sehr starke Frauen.
    Wahnsinn! Also die haben Feuer im Arsch! Ich war da bei einer Selbsthilfegruppe.
    Aber die Schwaben brauchen keine NGOs 6 , um zu Selbstbewusstsein zu kommen!
    Nein, aber sie brauchen an einer anderen Stelle Entwicklungsarbeit, um das zu leben, was sie eigentlich haben. Vielleicht auf eine subtilere Form.
    Der neue Schwabe ist eine Schwäbin?
    Die Zukunft liegt in der Hand der Frauen – aber das ist nicht nur im Schwabenland so.
    Ist der Begriff »Schwärdgosch« 7 in diesem Zusammenhang für Sie eher ein Kompliment oder eine Beleidigung?
    Das ist natürlich immer die Frage der Einfärbung. »Schwärdgosch« ist ein Begriff, wo ich sagen würde: Da haut jemand rein, der nimmt sich die Härte der Sprache wie eine Waffe. Buchstäblich.
    Eine »Schwärdgosch« lässt sich nichts gefallen. Ist das Emanzipation auf Schwäbisch?
    Für mich hat das eher eine negative Einfärbung. Ich finde den Begriff der »Blitzschwäbin« viel sympathischer! Die »Blitzschwäbin« ist flink und hat Humor, Tiefgang und Leichtigkeit. Die »Schwärdgosch« ist ein Begriff – der ist so radikal. Da spritzt Blut – und das reizt mich nicht.
    Was assoziieren Sie mit dem Cannstatt Ihrer Kindheit? Gibt es für Sie Synonyme für Heimat?
    Es gibt Orte, Plätze und Gerüche – wie den Brunnen beim Kurpark, das Sauerwasser-Brünnele. Es ist wie bei James Joyce – man riecht etwas. Und auf einmal ist man da. Es gibt für mich Orte, die einfach Kindheit sind. Am Wasser zum Beispiel, der Geruch des Wassers, es ist so eisenhaltig – das sind dann die Geschichten, wo man dann fassungslos davor steht und sich fragt: »Wo ist denn die Zeit dazwischen?«
    Ich bin jetzt auch öfters da, wegen meinem Sohn – weil ich ihm auch ein paar Sachen zeigen möchte, die mit mir zu tun haben. In Stuttgart gibt es ja das wunderschöne »Theater am Faden« – kennen Sie das? Das ist wirklich unglaublich! So eine Institution kann es nur hier geben. Man geht in so ein verwinkeltes Eckzimmer, durch einen schmalen Gang, dann kommt man in den großen Raum, und dort steht ein Karussell. Diese ältere Dame, eine Puppenspielerin, hat ihr Haus mit ihrem Mann zu einem Theater umgebaut. Wie das feuertechnisch abgenommen wird, dieses Haus, ist mir ein totales Rätsel.
    Unschwäbisch eigentlich?
    Sehr! Auf der anderen Seite: diese merkwürdige Skurrilität, so liebevoll – da dachte ich mir: In dieser Form kann es das in Berlin nicht geben!
    Sie entdecken Stuttgart neu für sich.
    Absolut!
    Wie war der Käsekuchen?
    Er hätte noch ein bisschen fluffiger sein können.
    Der war zu trocken, finde ich. Richtiger Käsekuchen ist feuchter und fester!
    Also meiner ist fester. Herr Kienzle, wir müssen uns mal zum Käsekuchenbacken verabreden!
    1 Schwäbisch für: schlagfertig
    2 Früher: Tübinger Weinbauern
    3 »Wenn du nicht sofort von meinem Grund und Boden verschwindest, hau ich dir eine runter!«
    4 »Deshalb sage ich es ja auch ganz freundlich.«
    5 Zärtlicher Ausdruck für kleine Kinder, abgeleitet von Botschel = Schwein
    6 NGO (Non-Governmental

Weitere Kostenlose Bücher