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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kienzle
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sie vertrieben wurden – aus dem Balkan oder aus dem Kaukasus. Darunter die Vorfahren meines Vaters, die Tscherkessen.
    Ein muslimisches Volk, das gegen die Russen gekämpft hat.
    Und unter Scheich Schamil verloren hat und dann vertrieben wurde. Viele gingen in die heutige Türkei.
    Sind denn die Tscherkessen auch in der Türkei scheel angeguckt worden? Als Flüchtlinge?
    Ganz zu Beginn ja, es herrschte auch bittere Not. Die sind ja in einer Zeit gekommen, als sich das damalige Osmanische Reich im Niedergang befand. Vertriebene und Flüchtlinge kamen von zwei Seiten gleichzeitig: aus dem Kaukasus und aus dem Balkan, weil dort immer mehr Staaten unabhängig wurden. Eine Umbruchsituation. Und in dieser Situation, das kann man sich vorstellen, war die Türkei alles andere als eingerichtet auf die Tscherkessen. Während des Unabhängigkeitskriegs 7 allerdings spielten sie dann eine ganz zentrale Rolle. Die Tscherkessen sind ein Kriegervolk. Die Frauen sind bekannt für ihre Schönheit. Viele wurden geraubt und auf den Sultanshof verschleppt. Und die Männer waren bekannt als gute Reiter und Krieger.
    Sie gehören also zu einem Kriegervolk?
    Im türkischen Unabhängigkeitskrieg bestand ein großer Teil der militärischen Führung um Atatürk 8 herum aus Tscherkessen. Und trotzdem ist in der Geschichte ein Bruch: In den Schulbüchern der Türkei ist es heute so, dass alle, die im Unabhängigkeitskrieg mitgekämpft haben, Türken waren. Da kommt kein Kurde oder Tscherkesse vor. Die Türkei hatte später ja die Idee des ethnisch reinen Nationalstaates. Von da an gab es nur noch Türken – alle anderen Ethnien wurden nach dem damaligen französischen Vorbild zwangsassimiliert. Der einzige, der in der türkischen Geschichtsschreibung mit tscherkessischer Herkunft bezeichnet wird, ist ein angeblicher Verräter: Ethem, der Tscherkesse. Der hat sich mit Atatürk überworfen und ging dann nach Syrien ins Exil.
    In Syrien gibt es auch heute noch eine große tscherkessische Minderheit.
    Auch in Jordanien. Und auch in Israel gibt es zwei tscherkessische Dörfer. Eins habe ich mal besucht.
    Werden die Tscherkessen auch heute noch in der Türkei diskriminiert?
    Durch ihren Zugang zum Militär haben sie in der türkischen Armee immer eine wichtige Rolle gespielt. Von daher waren sie einerseits Teil des Establishments, andererseits aber nur solange mit dabei, wie sie ihren ethnischen Hintergrund ausgeblendet haben. Tscherkessen durften ihre Sprache öffentlich nicht sprechen – wie keine Minderheit.
    Also wurden sie doch diskriminiert?
    Das war die türkische Philosophie – nach dem Vorbild des französischen Nationalstaats: der Einheitsstaat mit der Einheitshauptstadt. Zentralistisch. Und die einzige Sprache, die man lernt, ist Türkisch. Oder Sprachen, die nicht in der Türkei gesprochen werden. Englisch durfte man lernen in der Schule. Kurdisch und Tscherkessisch nicht.
    Merkwürdig, oder?
    Das kurdische Coming-out beförderte dann auch das tscherkessische Coming-out. Die Tscherkessen wären nie selbst so offensiv aufgetreten – die Tscherkessen sind bekannt für ihre Loyalität. Deshalb sind sie ja in Jordanien …
    … staatstragend!
    Und beschützen die Herrscherfamilie. Dadurch, dass sie kein arabischer Volksstamm sind, ist die Gefahr, dass es einen Meuchelmord gibt, sehr gering. Weil sie keine Herrschaftsambitionen haben. Als Minderheit müssen sie schauen, wie sie überleben. Durch dieses kurdische Coming-out in der Türkei haben die Tscherkessen aber gesagt: »Hey, wir haben eine eigene Sprache und eine eigene Kultur!« Jetzt gibt es tscherkessische Sprachkurse und auch tscherkessische Musik wird wieder stärker wahrgenommen. Und die Tscherkessen sind nicht die Einzigen – die Lasen, ein südkaukasisches Volk in der Türkei, und viele andere haben begonnen, die Identitätsfrage offen zu stellen. Aber mittlerweile ist bald ein Jahrhundert vergangen. Die wenigsten Kinder sprechen heute noch tscherkessisch. Ich kann außer »Prost« und »Grüß Gott« auf Tscherkessisch kaum etwas sagen.
    Das bringt mich zurück zu meiner Eingangsfrage. Noch mal – als was empfinden Sie sich heute: Deutscher, Türke, Tscherkesse oder Schwabe?
    Das Schwäbische war mir immer am nächsten. Deshalb habe ich ja »anatolischer Schwabe« gesagt. Den ersten Teil des Begriffs habe ich ja jetzt erklärt – ich wollte, dass sich die Vielfalt der Türkei in dem Begriff ausdrückt. Und »Schwabe« nenne ich mich, weil ich immer dazugehört habe in

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