Ulysses Moore - 02 - Die Kammer der Pharaonen
stolzen Gesichter wirkten traurig. Es war, als würde das offene Fenster, das auf den Innenhof des Hauses des Lebens hinausging, keine frische Luft hinein- und keine versengte hinauslassen.
Rick schlug das Wörterbuch der vergessenen Sprachen auf, während Jason eine Ãllampe anzündete und in die ihnen am nächsten liegenden Gänge hineinleuchtete. Der Anblick der schwarzen Nischen hatte etwas Erschreckendes.
»Das scheint hier so etwas wie ein unterirdischer Friedhof zu sein«, sagte Jason und versuchte nicht an all die Comics zu denken, in denen derartige Gänge von Skeletten und schaurigen Monstern bewohnt wurden.
Maruk hatte sich immer noch keinen Millimeter bewegt. Solange sie sich erinnern konnte, hatte man ihr erzählt, dass die Verlassenen Gänge ein verbotener Ort seien, an dem es nur Dunkelheit und Zerstörung gebe.
»Kommst du mit?«, fragte Jason, als er ihr Zögern bemerkte.
»Ich weià nicht, ob ich das schaffe«, antwortete sie. »Heute habe ich so ziemlich gegen alle Regeln des Hauses des Lebens verstoÃen.«
»Dann ist doch jetzt sowieso alles egal«, sagte Jason lächelnd und streckte ihr die Hand entgegen.
Maruk betrat mit geschlossenen Augen den Saal, zählte bis zehn und öffnete sie dann langsam. »Die Sonne geht schon unter«, sagte sie. »Was machen wir nun?«
»Ich weià es nicht«, antwortete Jason. »Aber wir werden es bald herausfinden. Nicht wahr, Rick?« Seine Finger schlossen sich fester um Maruks.
Rick ging zu einer der Statuen, die die Gänge bewachten, wischte Spinnweben und Staub ab und entdeckte, dass sie das GroÃe Arkanum Nummer eins darstellte, der Magier.
»Irgendeine Idee?«, wollte Jason wissen.
»Vielleicht. Wenn die passende Stunde wirklich die des Sonnenuntergangs ist, gibt es mindestens drei Zimmer, die wir durchsuchen können: das Zimmer des Mondes, GroÃes Arkanum Nummer achtzehn, das Zimmer der Sterne, GroÃes Arkanum Nummer siebzehn, oder das Zimmer der Sonne, GroÃes Arkanum Nummer neunzehn. «
»Die einander ewig lieben und folgen« , sagte Jason leise.
»Und dann wäre da noch eine Möglichkeit: Auf der anderen Seite liegt das Zimmer des GroÃen Arkanums Nummer sechs, das Zimmer der Liebenden«, schloss Rick.
Jason drückte ganz leicht Maruks Hand.
»Das ist es«, flüsterte Rick aufgeregt. »Das Zimmer der Liebenden, da müssen wir hin.«
Nebeneinander gingen die drei den Gang entlang. Jason hielt die Ãllampe hoch. Die Spiegel an den Wänden hätten ihr Licht verstärken sollen, doch weil sie verruÃt waren, nützten sie ihnen nicht viel. Die Nischen an den Wänden sahen wie aufgesperrte Mäuler aus.
Maruk starrte auf den dunklen FuÃboden und auf die Spitzen ihrer Sandalen.
An jeder Kreuzung sah Rick im Wörterbuch bei den Tarotkarten nach, um zu entscheiden, welche Richtung sie einschlagen mussten.
Es wurde immer dunkler. Mit jedem Schritt wirbelten sie Asche und Papyrusfetzen auf. Ruà und Staub brannten ihnen in den Augen.
»Fasst nichts an und reibt euch nicht die Augen«, ermahnte Rick sie. »Wir müssten bald da sein.« Auf einmal blieb er jedoch wie angewurzelt stehen. Er war gegen etwas gestoÃen.
Jason hielt die Ãllampen nach vorn. Maruk schrie auf und drückte seine Hand so fest, dass es wehtat.
Vor ihnen lagen zwei Skelette, die einander umarmten.
Jason war ganz gefasst. Im Grunde hatte er von Anfang an damit gerechnet in den Verlassenen Gängen Skelette zu finden. Behutsam löste er seine Hand aus Maruks und hielt die Ãllampe näher an die Skelette heran.
Ihre Kleider waren noch gut erhalten. Das gröÃere Skelett, das des Mannes, lehnte mit dem Rücken gegen die Wand und hatte seine Arme um das kleinere Skelett der Frau gelegt, wie um sie zu beschützen. Der Anblick war gleichzeitig traurig und schön. Jason stellte sich vor, wie sie dort inmitten von Feuer und Rauch gemeinsam auf ihr Ende gewartet hatten.
»Ihre Seelen sind traurig«, sagte Maruk leise, »weil sie nicht auf ihre Reise ins Jenseits vorbereitet wurden. Sie tragen nicht einmal den Skarabäus auf dem Herzen, der sie zu Thot begleiten sollte und zur Waage des Maat, auf der ihre Taten aufgewogen werden.«
Jason schaute sie an, ohne wirklich zu verstehen, was sie meinte.
Maruk hatte sich hingekniet und die Kette hervorgeholt, die sie um den Hals trug und begann zu
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