Ulysses Moore - 03 - Das Haus der Spiegel
Papiertuch und rieb mit besorgter Miene die Rückseite des Bildes ab.
Der Gegenstand war auf einen kleinen Untersatz aus grünem Samt aufgeklebt worden. Er war nur wenige Zentimeter hoch und ziemlich schmal. Ganz oben saà so etwas wie eine Krone.
»Ich glaube, das ist eine Spielfigur«, befand Rick nach genauerer Betrachtung.
»Das könnte sein«, stimmte Jason ihm zu.
»Eine Königin, würde ich sagen. Die Königin eines Schachspiels«, warf Julia ein.
Jason kratzte sich nachdenklich an der Nase. »Die Königin eines Schachspiels. Versteckt hinter einem Bild, mit dem sich Penelope Moore für die Operation des Leuchtturmwärters bedankte. Hmmm â¦Â«
»Wo führt uns das hin?«, wollte Rick wissen.
»An einen ganz bestimmten Ort: hinunter ins Dorf«, erwiderte Jason.
Sie baten die Bowens sich die Figur ausleihen zu dürfen, verabschiedeten sich freundlich und traten hinaus in den Garten.
Los, beweg dich! Es sieht dich doch keiner!«, schrie Julia ihren Bruder an.
Jason stöhnte und trat lustlos in die Pedale. Sein neues Fahrrad passte perfekt zum Stil der Familie Bowen: Es war leuchtend pinkfarben lackiert und hatte einen altmodischen Lenker mit einer knallroten, melodisch läutenden Klingel und rosa Handgriffen, von denen rosafarbene Schnüre herunterhingen.
Jason stieg sofort ab, als sie die ersten Häuser von Kilmore Cove erreicht hatten. »Wir sind da!«, stellte er fest. »Ab hier gehe ich zu FuÃ.«
Julia musste grinsen.
»Das ist nicht zum Lachen!«, fuhr ihr Bruder sie an. »Ich kann mich wirklich nicht mit diesem Fahrrad sehen lassen. Es ist ein
Damenrad!
Kannst du es nicht nehmen?«
»
Du
hast dein Fahrrad kaputt gemacht. Deswegen musst du auf dem von den Bowens fahren. Nicht wahr, Rick?«
Ihr rothaariger Freund kicherte und nickte. Dafür musste er sich von Jason anhören, dass er ein Verräter sei.
Sie kamen an einigen Fischern vorbei, die sich auf verschlissenen Liegestühlen ausruhten und sich angeregt unterhielten. Jason bemühte sich das rosa Mädchenfahrrad möglichst würdevoll an ihnen vorbeizuschieben, bildete sich aber trotzdem ein, dass das Gelächter der Männer hinter seinem Rücken ihm galt.
Die Zwillinge folgten Rick, der von der UferstraÃe in eine der kopfsteingepflasterten Gassen einbog, die ins Innere des Ortes führten. Zu beiden Seiten säumten kleine weiÃe Häuser die StraÃe. In den Kübeln und Kästen vor ihren Eingängen und auf ihren Balkonen blühten bunte Blumen.
Sie kamen an einer Konditorei vorbei, der ein verführerischer Duft entströmte. Dann an einem Gemüseladen, dessen Besitzerin vor der Ladentür saà und die Sonne genoss. Sie grüÃte sehr herzlich.
Ein paar Meter weiter gabelte sich die Gasse vor einem Reiterstandbild von König Wilhelm V. Es war ein sehr beeindruckendes Denkmal und zeigte den Herrscher im Sattel eines stolzen Pferdes, das Richtung Meer schaute. Jason und Julia, die diese Statue zum ersten Mal sahen, fanden sie faszinierend. Gleichzeitig kam ihnen das Gesicht des Königs eigenartig vertraut vor.
Rick führte sie weiter durch den Ort zu einem kleinen Platz, auf dem die Tische eines StraÃencafés standen. Dann überlegte er und ging weiter.
»Also, Gwendaline Mainoff müsste hier irgendwo sein«, sagte er, nachdem er vor einem Geschäft mit zwei Eingängen stehen geblieben war, über denen jeweils ein Schild hing. Auf dem einen stand:
Modische Schnitte und Frisuren.
Das andere dagegen bot
Rasuren und Haarschnitte für Herren
an.
»Wo gehen wir rein?«, fragte Rick.
»Ich versuche es mal bei
Modische Schnitte und Frisuren
«, meinte Julia. Sie stellte ihr Fahrrad ab und schob den Perlenvorhang vor der Tür zur Seite.
»Dann probiere ich es bei
Rasuren und Haarschnitte für Herren
«, entschloss sich Rick.
Der immer noch finster dreinblickende Jason blieb drauÃen, um auf die Fahrräder aufzupassen.
»Guten Tag«, grüÃte Gwendaline und stand auf, sobald Julia den Laden betreten hatte. »Das heiÃt ⦠Hallo!«
Die Friseurin war sehr hübsch und lächelte ihr fröhlich entgegen. Lange schwarze Haare rahmten ihr Gesicht ein.
»Hallo!«, grüÃte Julia zurück.
»Nimm bitte Platz«, sagte Mrs Mainoff und wies auf einen Stuhl vor einem Spiegel. »Und entschuldige mich bitte kurz.«
Sie verlieà den
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