Ulysses Moore – Das Buch der Traumreisenden
Jason.
Schnell legte der rothaarige Junge das schwarze Heft an seinen angestammten Platz in die Schreibtischschublade und ging zum Fenster. »Was gibt’s?«
Jason stand vor dem Haus. Er hatte eine aufgeplatzte Lippe und war von oben bis unten mit Erde beschmiert. »Komm runter! Wir müssen reden!«
»Was ist denn los?«
»Frag nicht und schwing die Hufe!«
Jason war nicht allein. Neben ihm stand ein dunkelhaariges Mädchen, das Rick noch nie zuvor gesehen hatte.
»Hör mal, Rick!«, rief Jason ungeduldig. »Kommst du jetzt endlich runter, oder brauchst du eine Einladung? Es ist wichtig, glaub mir.«
Das Mädchen deutete ein Winken an.
Rick erwiderte es zögernd. »Ich bin auf dem Weg.«
Jason stellte Anita und Rick einander vor und bestand darauf, dass sie sich für ihre Unterhaltung ein ruhiges Plätzchen am Strand suchten.
Dort erzählte er kurz von seiner unerfreulichen Begegnung mit den Flint-Vettern und überließ dann Anita das Wort.
»Es geht um Folgendes«, erklärte diese. »Ich bin hergekommen, um euch ein sehr eigenartiges Buch zu zeigen.« Jason und Rick wechselten einen Blick. »Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass es so schwierig sein würde, Kilmore Cove zu finden.«
»Wie meinst du das, schwierig?«, fragte Rick.
»Sie ist auf verschlungenen Wegen hergekommen«, erklärte Jason. »Zuerst war sie an einem Strand, der etwa fünf Kilometer von Zennor entfernt ist, um zu einem bestimmten Baum zu gelangen …«
»Zur Hakeneiche«, fügte Anita hinzu.
Rick schüttelte den Kopf. »Nie davon gehört.«
»Dann bin ich durch den Wald bis zur Telefonzentrale gelaufen.«
»Okay«, sagte Rick, der das Häuschen offensichtlich kannte.
»Und von dort aus zu einer mechanischen Brücke.«
»Eine mechanische Brücke?« Rick machte ein skeptisches Gesicht.
»Mit zwei Eulen«, ergänzte Anita.
»Der Beschreibung nach scheint es eine Erfindung von Peter Dedalus zu sein«, befand Jason.
»Aber wo soll die Brücke sein?«, fragte Rick.
Während die beiden miteinander über mögliche Standorte diskutierten, betrachtete Anita die beiden fasziniert. Sie wirkten älter als die Jungen, die Ulysses Moore in seinen Büchern beschrieben hatte. Jason war größer und kräftiger als Rick. Er hatte außerdem längere Haare als sein Freund und spielte beim Reden häufig mit einer seiner zotteligen Haarsträhnen. Rick sah dünner aus als auf den Zeichnungen in den Büchern. Er hatte breite Schultern und trug sein Haar sehr kurz.
»Hey«, schaltete sie sich nach einer Weile wieder in das Gespräch ein. »Können wir das nicht später klären?«
Rick und Jason verstummten. »Wir haben uns nur gefragt, warum du nicht einfach über die Küstenstraße zu uns gekommen bist.«
»Die nimmt unser Schulbus auch immer.«
»Wo geht ihr denn zur Schule?«, wollte Anita wissen.
»Auf das Gymnasium von St. Ives. Von dort nach Kilmore Cove zu gelangen, ist ganz einfach. Rick fährt die Strecke sogar oft mit dem Rad.«
»Das wusste ich nicht. Den Weg nach Kilmore Cove hat mir ein Übersetzer erklärt, der, soweit ich weiß, vor ein paar Jahren hier war. Er hat einige Bücher über Kilmore Cove übersetzt.«
»Machst du Witze?«, fragte Rick.
»Nein, im Ernst.«
»Und was sind das für Bücher?«, fragte Rick.
»Es sind Abenteuerromane, in denen … ihr zwei vorkommt.«
Jason und Rick sahen einander überrascht an. »Wir?«
»Genau. Es geht darin um Türen zur Zeit und um Schlüssel in Tierform. Und um eine gewisse Oblivia Newton.«
»Aber wie ist das möglich?«, wunderte sich Rick. »Diese Geschichte ist … wie soll ich sagen … geheim.«
»Die Übersetzer sagte, er sei in den Besitz der Tagebücher von Ulysses Moore gelangt. Er fand sie in einer großen Truhe.«
»Die Truhe!«, sagte Jason leise. Und fügte an Rick gewandt, hinzu: »Du weißt, um welche Truhe es geht.«
»Lass sie weiterreden.«
Anita nickte. »Ich habe vor ein paar Tagen in Venedig ein ziemlich eigenartiges Buch gefunden. Es war in einem verborgenen Fach auf einem Dachboden versteckt. Ebenso wie das Haus gehörte es einem Illustrator namens Morice Moreau.«
»Noch nie von ihm gehört.«
»Ich auch nicht.«
»Was in dem Buch geschrieben steht, konnte ich nicht lesen. Es ist in einer Geheimschrift verfasst. Und weil diese Schrift dieselbe ist wie die, die Ulysses Moore in seinen Tagebüchern benutzte, bin ich hergekommen, um es euch zu zeigen.«
»Und du hast zu uns gefunden, indem du den Anweisungen dieses Übersetzers gefolgt
Weitere Kostenlose Bücher