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Ulysses Moore – Das Labyrinth der Schatten

Ulysses Moore – Das Labyrinth der Schatten

Titel: Ulysses Moore – Das Labyrinth der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario
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gegrabene Höhlen, von oben herabhängende Konstruktionen, eingestürzte Bögen. An manchen Stellen war der Weg nur noch ein Felssteg, der die beiden Ränder eines Abgrunds miteinander verband, und sie mussten beim Gehen auf ihre Füße schauen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    Sie kamen an eine Abzweigung, die erste an diesem Pfad.
    Zephir wählte den Weg, der weiter nach unten führte. Der andere, sagte er, sei der Weg zu dem Dorf, in dem er geboren wurde.
    »Aus was ist das Labyrinth hergestellt worden, Zephir?«, fragte Jason irgendwann den Riesen.
    »Es besteht aus einer großen Mauer«, war die Antwort.
    »Hattest du uns nicht erzählt, dass dir jemand gesagt hat, was hinter der Mauer liegt?«, fragte Anita. »Wer war das?«
    »Natürlich meine Lehrer. Dieselben, die mir beigebracht haben, auf die alte Art zu sprechen. Auf die poetische Art, die mit den Reimen.« Zephir ging immer weiter, ohne stehen zu bleiben. »Und sie haben mir auch die Wege gezeigt, die zum Labyrinth führen, und die, auf denen man ins Niemandsland gerät.«
    »Wie sehen die Eingänge zum Labyrinth aus?«, wollte dieses Mal Jason wissen.
    »Wie der, durch den ihr hierhergekommen seid.«
    »Also sind es Türen?«
    »Genau. Und wenn wir die Möglichkeit haben einzutreten, werde ich euch alles verraten, was ich darüber gelernt habe. Ich weiß aber auch, dass ich nicht darüber reden darf, bevor ich über eine dieser Schwellen getreten bin. Im Augenblick darf ich euch nur sagen, dass das Labyrinth sehr tief ist. Und auch sehr, sehr alt.«
    »So alt wie die Türen?«
    »Oh nein! Viel, viel älter«, antwortete Zephir. »Das Labyrinth ist der Ursprung der Türen. Als sie gebaut wurden, gab es das Labyrinth bereits.«
    »Woher weißt du das denn alles?«
    »Das darf ich nicht verraten.«
    Inzwischen waren sie offenbar ganz unten im Labyrinth angekommen, denn der Weg verlief gerade. Es gab aber keinen richtigen Pfad mehr, sondern sie mussten über unregelmäßig große und schwach leuchtende Steine steigen. Nach einer Weile wurden sie zu hohen Felsbrocken, die wie große Quarzkristalle aussahen.
    Hier unten war es kalt, beinahe so kalt wie in einer Januarnacht, und das Rauschen des Wassers war wesentlich lauter geworden.
    »Wir sind fast da«, verkündete Zephir schließlich. Offenbar konnte er sich in dem unübersichtlichen Gelände zwischen Felsen und Kristallen ausgezeichnet orientieren. Anitas und Jasons Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt und die beiden konnten auch weiter entfernte Felsblöcke erkennen. Sie hatten eigenartige geometrische Formen und sahen aus wie die verlassenen Gebäude einer Stadt, in der nirgendwo mehr Licht brannte. Endlich erreichten sie den Fluss, von dessen schäumendem, strudelndem Wasser eine unerträgliche Kälte ausging.
    Zephir füllte seine Feldflasche mit Wasser aus dem Fluss auf und wärmte die Flasche zwischen seinen Händen. Er führte die beiden zu einem Steg, an dem Boote an einzelnen Pfosten angebunden waren, auf denen Totenschädel standen. Sie wirkten wie eine makabre Warnung für Be sucher.
    »Dort drüben sind die Eingänge zum Labyrinth«, sagte Zephir und zeigte auf einen Punkt jenseits des Flusses.
    Anita und Jason rückten enger zusammen. Sie konnten den reißenden Fluss vor sich sehen, aber nicht das, was dahinter lag. Dafür war es zu dunkel. Als sie jedoch lange genug hingeschaut hatten, erkannten sie am anderen Ufer fünf Stege und dahinter fünf Treppen. Und oben am Ende jeder Treppe eine Tür.
    Auf einmal fielen Anita weiße Lichtreflexe auf, und sie fragte sich, wie sie in dieser Dunkelheit entstehen konnten.
    Sie kniff die Augen ein wenig zusammen und konzentrierte sich auf sie. Anita erschrak: Treppen, Stege und Türen waren über und über mit Knochen bedeckt.
    Zephir bot ihnen seine Wasserflasche an, doch Anita weigerte sich, von dem Flusswasser zu trinken. Eine ganze Weile lang blieben Anita und Jason stumm, bis sich Jason endlich zu fragen traute: »Warum all diese Knochen?«
    »Viele haben versucht, hier einzutreten«, erklärte Zephir.
    »Und warum sind sie nicht umgekehrt?«
    »Aus dem gleichen Grund, aus dem man durch die Elfenbeintür nicht zurückkehren kann«, antwortete der Riese. »Man kann den Fluss nur in eine Richtung überqueren.«
    »Und wenn man das andere Ufer erreicht hat?«
    »Dort gibt es nichts. Nicht einmal etwas zu essen. Es heißt sogar, es gäbe dort nicht einmal Luft zum Atmen. Es gibt dort nur die Türen. Fünf sind hier. Fünf

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