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Ulysses

Ulysses

Titel: Ulysses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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nieder und blickte empor zum Gesegneten Sakrament, und der Chor begann das Tantum ergo zu singen, und sie schwang den Fuß her und hin im Takt, während die Musik zum Tantumer gosa cramen tum anstieg und fiel. Drei-elf hatte sie für die Strümpfe bezahlt bei Sparrow in der George’s Street am Dienstag, nein Montag vor Ostern, und es war kein einziger Fleck darauf, und deswegen kuckte er andauernd herüber weil sie durchsichtig waren, nicht wegen Cissy ihren, den blöden die überhaupt keine Form hatten (so eine Unverschämtheit von ihr!) denn er hatte doch Augen im Kopf und konnte selber den Unterschied sehen.
    Cissy kam mit den beiden Zwillingen und ihrem Ball den Strand herauf, und der Hut saß ihr jedenfalls ganz schief auf der Seite nach dem Gerenne, und sie sah doch wirklich aus wie eine Schlampe wie sie die beiden Rangen da so langschleifte, die dünne Bluse die sie erst vor zwei Wochen gekauft hatte wie ein Fetzen auf dem Rücken und der blitzende Unterrock, also das war doch die reinste Karikatur. Gerty nahm nur für einen Augenblick den Hut ab, um sich das Haar zu richten, und nie noch sah man einen hübscheren, einen feineren Kopf mit nußbraunen Flechten auf eines Mädchens Schultern, eine strahlende kleine Vision, wahrhaftig, die einem fast die Sinne rauben konnte in ihrer Süße. So manch eine lange Meile hätte man reisen müssen, ehe man einen solchen Kopf und solches Haar gefunden. Fast konnte sie die jähe Glut der Bewunderung sehen, die als Antwort in seine Augen stieg und jeden Nerv in ihr zum Prickeln brachte. Sie setzte den Hut wieder auf, so daß sie unter ihm hervorlugen konnte, und schwang ihren Schnallenschuh schneller, denn der Atem stockte ihr, als sie den Ausdruck in seinen Augen gewahrte. Er starrte sie an wie eine Schlange ihre Beute. Ihr Fraueninstinkt sagte ihr, daß sie den Teufel in ihm geweckt hatte, und bei diesem Gedanken flutete ein brennendes Scharlachrot ihr von der Kehle zur Stirn, bis ihre liebliche Gesichtsfarbe ein herrliches Rosenrot geworden war.
    Auch Edy Boardman entging es nicht, denn sie schielte, halb lächelnd, durch ihre Brillengläser zu Gerty herüber, wie eine alte Jungfer, und tat dabei so, als sei sie mit dem Baby beschäftigt. Eine reizbare kleine Stechmücke, das war sie und würde sie immer sein, und daran lag es auch daß keiner mit ihr auskam, wo sie ihre Nase andauernd in Sachen steckte die sie nichts angingen. Und sie sagte zu Gerty:
    - Das möcht ich wohl wissen, was du jetzt grade denkst.
    - Wieso? erwiderte Gerty mit einem Lächeln, das verstärkt wurde durch die allerweißesten Zähne.
    Ich hab nur grade überlegt, ob es wohl schon spät ist.
    Weil sie inbrünstig wünschte, sie würden endlich die rotznasigen Zwillinge nach Hause schaffen und ihr Baby da rausnehmen, deshalb bloß hatte sie die sanfte Andeutung gemacht, vonwegen daß es schon spät geworden wäre. Und als Cissy oben ankam, fragte Edy sie nach der Zeit, und Miss Cissy mit ihrem losen Mundwerk sagte, es wäre viertel nach Küssenszeit, höchste Zeit zum Wiederküssen. Aber Edy wollte es wissen, weil sie nämlich gesagt bekommen hatten, sie sollten ja früh wieder daheim sein.
    - Warte, sagte Cissy, ich will mal meinen Onkel Peter da drüben fragen, wie spät es auf seiner Ticktack ist.
    So ging sie hinüber, und als er sie kommen sah, konnte sie sehen, wie er die Hand aus der Tasche nahm, ganz nervös wurde und, zur Kirche hinüberblickend, mit seiner Uhrkette zu spielen begann.
    Ob er schon eine leidenschaftliche Natur besaß, konnte Gerty doch sehen, daß er über eine ungeheure Selbstbeherrschung gebot. Einen Augenblick zuvor noch hatte er fasziniert dagesessen, von einer Lieblichkeit, die seinen Blick magisch anzog, und im nächsten schon war er ganz der ruhige Herr mit dem ernsten Gesicht, und Selbstbeherrschung drückte sich in jeder Linie seiner distinguierten Gestalt aus.
    Cissy sagte, er möge bitte entschuldigen, und ob er ihr vielleicht sagen könnte, wieviel Uhr es genau sei, und Gerty konnte sehen, wie er die Taschenuhr zog, daran horchte und dann aufblickte und sich räusperte, und er sagte, es täte ihm sehr leid, seine Uhr wäre stehengeblieben, aber es müßte wohl schon nach acht sein, weil die Sonne schon untergegangen wäre. Seine Stimme hatte einen gebildeten Klang, und obwohl er in gemessener Rede sprach, lag doch ein ganz leichtes Beben in den vollen Tönen. Cissy bedankte sich und kam mit herausgestreckter Zunge zurück und sagte, der Onkel hätte gesagt,

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