Um die Wurst (German Edition)
Killian.
» Oh, là, là. Alte Liebe? Wir werden doch nicht etwa sentimental? Das zahlt sich nie aus.«
Killian lächelte gezwungen. Er hatte keine Lust auf die Weisheiten der alten Klugscheißerin. Er hatte ihr schon früher ungern zugehört, und abgekauft hatte er ihr schon zweimal nichts. Aus Prinzip. Sie mochte ja recht haben, aber es gab eben Pauker, die hätten einem lange erzählen und beweisen können, dass die Erde um die Sonne kreiste, man hätte ihnen niemals geglaubt. Vielleicht war Galilei auch so ein Besserwisser gewesen, und man hatte ihn nur deswegen so lange zappeln lassen.
»Oh, die Pause ist vorbei. Ich muss in den Unterricht. Frau Engler hatte wohl keine Zeit. Aber was ein wahrer Romeo ist, der klettert auch den Balkon hoch.« Denise Ardant verzog das Gesicht wie ein Pantomime, der sich gequält vor Selbsthingabe beim Publikum bedankt, und klimperte mit den Wimpern.
Killian rang sich jetzt noch nicht einmal mehr ein falsches Lächeln ab. Er hatte es satt, gute Noten zu kassieren. Die Schule war für ihn schon lange aus.
Es nervte ihn, dass Bärbel ihn versetzt hatte. Erst war es so wichtig gewesen, und nun war sie nicht gekommen. Eigentlich nicht ihre Art. Oder doch? Killian wusste nicht mehr, was Bärbels Art war. Dazu hatten sie sich zu lange nicht gesehen. Er stieg die Stufen durch den Efeugang hinauf, wollte noch mal auf den Eckartsberg. Wenn er schon hier war, konnte er auch gleich ein paar Fotos schießen. Vielleicht taugten sie für einen Kalender?
»Killian«, hörte er wieder jemanden seinen Namen rufen. Diesmal war es aber nicht die schneidende Sichel von Madame Ardant, sondern Bärbel, die abgehetzt hinter ihm auftauchte.
Sie keuchte, stützte die Hände auf die Knie und pumpte Luft in ihre Lunge. Dann fuhr sie sich mit der Hand durchs rote Haar und starrte Killian verstört an.
»Ich wurde aufgehalten, entschuldige. Einige Schüler spielen verrückt wegen Eriks Tod. Sie planen Rache.«
»Wie soll die aussehen?«
»Neue Gewaltaktionen gegen Metzgereien. Ein Blödsinn. Damit machen wir uns keine Freunde. Ich habe versucht, die heiße Luft rauszunehmen.«
»Erfolgreich?«
»Ich hoffe es.« Sie war wieder bei Atem.
»Deswegen hast du mich aber nicht angerufen, oder?«
Anstatt einer Antwort streckte Bärbel ihm eine CD entgegen.
»Was ist das?«, fragte er.
»Die habe ich heute Morgen in meinem Fach gefunden.«
»Und? Was ist drauf?«
»Ich kann sie nicht abspielen. Dafür braucht man ein Passwort.«
»Und von wem ist sie?«
»Das weiß ich auch nicht. Aber sie könnte von Erik sein.«
»Er ist seit zwei Tagen tot.«
»Ich habe seit drei Tagen nicht mehr in mein Fach geguckt. Normalerweise mache ich das täglich, aber in den letzten Tagen war so viel los. Die Vorbereitungen für die große Demo, dann der Mord an Erik …«
Killian nahm die CD und sah sie sich an. »Vielleicht hat jemand geahnt, dass du irgendetwas bekommen solltest, und hat in deiner Wohnung danach gesucht. Vielleicht ist es aber auch nur ein schlechter Scherz deiner Schüler.«
»Wenn wir reingucken, wissen wir mehr«, sagte Bärbel. »Du kannst so etwas doch.«
»Ich? Wie kommst du darauf?«
»Na ja. Geheimdienst.«
»Hör auf. Ich bin Fotograf und knipse manchmal dort, wo sich sonst keiner hintraut, das ist alles.«
»Aber du hast doch bestimmt Freunde, die das können, oder? Vielleicht finden wir dadurch den Mörder.«
»Name und Adresse samt Geständnis. Und das Passwort ist bestimmt der Name seines Haustieres.«
»Verarsch mich nicht. Ich habe einfach Angst, kannst du das nicht verstehen? Die waren in meiner Wohnung und haben das da gesucht. Und jetzt liegt es in meinem Fach! Also, was ist: Hilfst du mir?«
»Wäre ich sonst hier?« Killian steckte die CD in seine Jackentasche.
Bärbel schien beruhigt. »Wer hat dich eigentlich so zugerichtet?«, fragte sie.
Killian fuhr mit der Hand über die Schwellung, die ihm von der Prügelei mit Gotthard und Spiegelhalter geblieben war. »Zwei Metzger haben mich wohl mit einer Sau verwechselt. Hatte ich das nicht schon erzählt?«
»Ich meine nicht das Auge. Sondern den Fleck da neben deinem Kehlkopf.«
Killian griff sich unwillkürlich an den Hals. Er hatte keinen Fleck bemerkt, erinnerte sich aber an den saugenden Biss von Stark, und schob den Kragen seines Hemdes darüber.
Bärbel schwieg, als wartete sie auf eine Antwort.
Killian wurde unbehaglich. Plötzlich war er siebzehn und sollte seiner Freundin erklären, woher der Knutschfleck an
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