Um Haaresbreite
du mir näher erklären.«
»Zuerst einmal, was fiel dir eigentlich ein, einem Drittel der Vereinigten Staaten von James Bay aus den Strom abzustellen?«
Villons Gesicht wurde ausdruckslos. »Ich hielt es für notwendig. Die Amerikaner mußten gewarnt werden, sich nicht in französische Angelegenheiten einzumischen.«
»Wohe r hattest du diese Wahnsinnsidee?«
Villon blickte ihn verwirrt an. »Von dir natürlich.«
Sarveux war verblüfft.
Villon begann zu lachen. »Erinnerst du dich wirklich nicht mehr daran?«
»An was?«
»Im Krankenhaus, nach dem Flugzeugunfall, warst du noch von der Narkose benommen. Du phantasiertest, Kanada sei in großer Gefahr, falls die falschen Leute den schwachen Punkt im Kontrollsystem von James Bay entdeckten. Du warst ziemlich vage, aber dann batest du Danielle, mir zu sagen, ich sollte mich mit Max Roubaix beraten, dem längst gestorbenen Massenmörder.«
Sarveux saß stumm und mit unerforschlichem Gesicht.
»Ein verdammt schlau gestelltes Rätsel«, fuhr Villon fort, »wenn man bedenkt, daß es einem wirren Gehirn entsprang. Ich brauchte eine Weile, bis ich mir die Beziehung zwischen Roubaix’ Würgeschnur und dem Abschnüren einer wichtigen Energiequelle zusammenreimte. Dafür habe ich dir zu danken, Charles. Du hast mir, ohne es zu wissen, gezeigt, wie man die Amerikaner mit einem einzigen elektrischen Schalthebel nach seiner Pfeife tanzen lassen kann.«
Sarveux schwieg, dann sah er Villon an und sagte: »Nicht ohne es zu wissen.«
Villon verstand ihn nicht. »Wie bitte?«
»Danielle hörte nicht das Gefasel eines im Fieber phantasierenden Mannes. Ich hatte zwar starke Schmerzen, war jedoch bei klarem Verstand, als ich ihr sagte, du solltest Max Roubaix um Rat fragen.«
»Was soll das, Charles? Irgendein kindisches Spiel?«
Sarveux ignorierte ihn. »Ein sehr alter und lieber Freund sagte, du würdest mein Vertrauen und das des kanadischen Volkes verraten. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß du ein Verräter bist, Henri. Aber ich mußte mich überzeugen. Du hast den Köder geschluckt und die Vereinigten Staaten mit Energieerpressung bedroht. Es war ein schwerer Fehler von dir, dir eine benachbarte Supermacht zum Feind zu machen.«
Villons Mund verzog sich zu einem häßlichen Grinsen. »Du bildest dir also ein, du wüßtest etwas. Zum Teufel mit dir, und zum Teufel mit den Vereinigten Staaten. Solange Quebec den St. Lawrence und das Kraftwerk von James Bay unter seiner Kontrolle hat, werden wir es sein, die zur Abwechslung ihnen und dem westlichen Kanada unsere Bedingungen diktieren.
Amerika hat sich mit seinen selbstgerechten und frommen Predigten zum Clown der Welt gemacht. Sie verschanzen sich hinter ihrer blöden Moral und kümmern sich nur um ihre Geschäftsgewinne und Bankkonten. Amerika ist eine sterbende Macht, und es wird nicht mehr lange dauern, bis sein ganzes Wirtschaftssystem in einer Inflation zusammenbricht.
Falls sie es wagen sollten, Quebec mit Sanktionen zu drohen, schalten wir ihnen einfach den Strom ab.«
»Mutige Reden«, sagte Sarveux. »Aber wie viele andere wirst du bald feststellen, daß es sich nicht auszahlt, die Entschlossenheit der Amerikaner zu unterschätzen. Wenn man sie an die Wand drückt, haben sie nämlich die Gewohnheit, sehr energisch zurückzuschlagen.«
»Der Mut ist ihnen schon längst ausgegangen«, sagte Villon verächtlich.
»Du bist ein Narr.« Sarveux fühlte, wie es ihm kalt über den Rücken lief. »Im Interesse Kanadas werde ich dir die Maske vom Gesicht reißen und dich vernichten.«
»Du könntest nicht einmal einen Ladenjungen vernichten«, höhnte Villon. »Du hast nicht den geringsten Beweis gegen mich. Nein, Charles, bald werden dich die englischsprachigen Scheißkanadier aus dem Amt werfen, und ich werde dafür sorgen, daß du nicht nach Quebec kommst. Es ist an der Zeit, daß du dir endlich darüber klar wirst, ein Mann ohne Land zu sein.« Villon stand auf, zog einen versiegelten Umschlag aus seiner Brusttasche und warf ihn Sarveux in den Schoß. »Meine Demission aus dem Ministerrat.«
»Angenommen«, sagte Sarveux mit grimmiger Endgültigkeit.
Villon konnte sich eine letzte Beschimpfung nicht verkneifen.
»Du bist eine klägliche Figur, Charles. Vielleicht hast du es noch nicht begriffen, aber du hast überhaupt nichts mehr… nicht einmal deine kostbare Danielle.«
In der Tür drehte sich Villon noch einmal um, erwartete, einen verzweifelten und geschlagenen Sarveux zu sehen, dessen Träume und
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