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Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod

Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod

Titel: Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ortwin;Höhn Ennigkeit
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überschreiten, um einen sich in Lebensgefahr befindenden Menschen vor dem Tode zu retten – selbst wenn der Gefährdete einer aus der Gruppe der o. g. Profilneurotiker sein sollte. Herr Daschner hat mehr Zivilcourage bewiesen als manch ein Großkopferter aus dem Lager der Politik.«
    Mir bedeutete dieser Leserbrief des mir persönlich unbekannten Mannes sehr viel – dieser und viele andere Leserbriefe.
    Die ganze Kampagne gipfelte schließlich darin, dass ein Duisburger Rechtsanwalt am 27. Februar 2003 in einer Strafanzeige den Verdacht äußerte, Daschner und die an der Vernehmung beteiligten Polizisten – also auch ich – hätten Geld von der Familie von Metzler dafür erhalten, dass sie Magnus Gäfgen mit der Androhung von Gewalt zur Preisgabe des Verstecks des vermeintlich noch lebenden Jakob bewegen sollten. Der Jurist forderte die Staatsanwaltschaft Frankfurt auf: »Darüber hinaus bitte ich zu prüfen, ob möglicherweise die Vorgehensweise der Beschuldigten in Zusammenhang mit einer Bestechung oder Vorteilsannahme durch die Eltern des von dem mutmaßlichen Täter entführten Jakob von Metzler stand.« Dem Advokaten aus Duisburg war offensichtlich entschieden die Fantasie durchgegangen, darüber hinaus brachte er auch Chronologie und Logik der Abläufe – für einen Anwalt unentschuldbar – völlig durcheinander (vgl. Frankfurter Neue Presse , 28.02.2003). Die Staatsanwaltschaft erklärte, es sei fraglich, ob sie sich mit dieser eigenwilligen Strafanzeige beschäftigen müsse: »Wenn sie offensichtlich den Stempel des Wahnsinns trägt, hat sie sich erledigt.«
    Am 9. April 2003 begann der Prozess gegen Gäfgen. Niemand hatte mich bis dahin gefragt, wie die Aussage zum Verwahrort von Jakob zustande gekommen war. Die Anklageschrift wurde verlesen. Rechtsanwalt Stefan Bonn, einer der beiden Verteidiger Gäfgens, stand auf und beantragte, alle Vernehmungen seines Mandanten einschließlich der richterlichen nicht zu verwerten. Das Verfahren wäre einzustellen.
    In seiner 30-seitigen Antragsschrift führte er seine rechtlichen Argumente auf: Das Vorgehen der Polizei widerspreche dem Grundgesetz, der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie der UN-Folterkonvention. Der Angeklagte sei »zum bloßen Objekt der Strafverfolgung« gemacht worden. Deshalb müsse das Strafverfahren eingestellt werden. Sowohl das erzwungene als auch die weiteren Geständnisse bei der Staatsanwaltschaft und der Ermittlungsrichterin unterlägen einem Verwertungsverbot. Der Beschuldigte sei nicht »qualifiziert« über sein Recht, zu schweigen, belehrt worden.
    Staatsanwalt Wilhelm Möllers und Rechtsanwalt Eberhard Kempf, der Familie von Metzler als Nebenkläger vertrat, erklärten dagegen, ein Verfahrenshindernis liege nicht vor, die Geständnisse wirkten fort. Gäfgen habe bei seinen späteren Vernehmungen immer erklärt, er fühle sich nicht mehr bedroht, und dass er über seine Rechte aufgeklärt worden sei.
    Die Kammer zog sich zurück. Gespannt wurde das Ergebnis ihrer Beratung erwartet.
    Schließlich verkündete sie, dass infolge der am 1. Oktober 2002 erfolgten Bedrohung des Angeklagten alle Vermerke und Vernehmungen bis einschließlich der richterlichen Vernehmung vom 30. Januar 2003 nicht verwertet werden dürften. Allerdings verfange die Überlegung nicht, dass Dr. Endres bei Kenntnis der verbotenen Vernehmungsmethode vom 1. Oktober 2002 den Angeklagten möglicherweise anders beraten hätte, als offensichtlich geschehen.
    »Die Abwägung der Schwere des Eingriffs in Grundrechte des Angeklagten – im vorliegenden Fall die Androhung körperlicher Gewalt – und der Schwere der ihm vorgeworfenen und aufzuklärenden Tat – vollendete Tötung eines Kindes – lässt die Unverwertbarkeit der infolge der Aussage des Angeklagten bekanntgewordenen Beweismittel – insbesondere das Auffinden des toten Kindes und die Ergebnisse der Obduktion – unverhältnismäßig erscheinen.«
    Der Prozess konnte beginnen.
    Noch zwei Tage zuvor hatte Verteidiger Endres behauptet, dass selbst der Fund der Leiche vor Gericht unverwertbar sein könnte, juristisch gesehen gäbe es die Leiche des Jungen gar nicht. Die Staatsanwaltschaft hätte dann erhebliche Schwierigkeiten, Gäfgen die Tat nachzuweisen, so der Anwalt.
    Gäfgen legte am zweiten Verhandlungstag, dem 10. April 2003, ein neues Teilgeständnis ab: Er behauptete immer noch, den Tod Jakobs nicht eingeplant zu haben.
    Am selben Tag legte der Vater von Marianne K. [Name geändert] dem

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