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Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod

Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod

Titel: Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ortwin;Höhn Ennigkeit
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Grundbedingung des geordneten Zusammenlebens im Staat. Sie obliegt aller staatlichen Gewalt, d. h. dem Staat in allen seinen Funktionen«, schrieb das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28. Mai 1993. Bereits in der richtungweisenden Schleyer-Entscheidung vom 16. Oktober 1977 hatte es ausgeführt:
    »Das Recht auf Leben in Verbindung mit der Verpflichtung, die Menschenwürde zu achten und zu schützen (Art. 2 Abs. 2 S. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG), verpflichtet den Staat, jedes menschliche Leben zu schützen. Diese Schutzpflicht ist umfassend. Sie gebietet dem Staat, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen, d. h. vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren. An diesem Gebot haben sich alle staatlichen Organe, je nach ihren besonderen Aufgaben, auszurichten. Da das menschliche Leben einen Höchstwert darstellt, muß diese Schutzverpflichtung besonders ernst genommen werden.« (BVerfGE 46, 160; 49, 24)
    Ich wurde Polizist, weil ich helfen wollte, potenzielle Opfer vor potenziellen Straftätern zu schützen. Je mehr sich die Gefährdung eines Opfers konkretisiert, desto intensiver müssen die Schutzmaßnahmen sein. Als Privatperson könnte ich da relativ wenig helfen. Die Stärke der Polizei liegt nicht in einzelnen Polizeihelden, wie uns die Krimis vorgaukeln wollen, sondern in der Zusammenarbeit. Jeder einzelne Polizist trägt seinen Teil zur Aufklärung eines Verbrechens bei.
    Aber wir müssen nicht nur Verbrechen aufklären, sondern sie auch verhindern, insbesondere müssen wir Leben retten.
    Ist die Würde des Menschen unantastbar?
    Auch die Würde des Opfers ist unantastbar, schrieb Prof. Dr. Otto Rudolf Kissel, ehemaliger Präsident des Bundesarbeitsgerichts und Jurist von höchstem Ansehen, am 10. März 2003 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung . Bei der aktuellen Diskussion trete die Menschenwürde des Opfers in den Hintergrund, »ja wird verdrängt oder gar mißachtet«. Die Polizei habe von der hoffnungsvollen Chance ausgehen können, »daß das Opfer noch lebt, aber nur gerettet werden konnte, wenn sein Aufenthaltsort bekanntwürde; der aber war allein dem Täter bekannt, ohne die Bekanntgabe durch ihn mußte sich die Lebensgefahr nach menschlichem Ermessen binnen kürzester Zeit in den Tod umwandeln, das Schweigen des Täters war das Todesurteil. Denn: Irgendwo war das Opfer vom Täter gewaltsam hingebracht worden, nach aller Erfahrung in einem Erdloch oder einem Verschlag in einem Gebäude oder wo in Grausamkeit auch immer, gefesselt, hungernd, dürstend, frierend, völlig isoliert in Trostlosigkeit und Hoffnungslosigkeit, und seit Tagen ohne die geringste ›Versorgung‹. Diese vom Täter herbeigeführte Situation ist eine extreme Verletzung jeglicher Menschenwürde des Opfers, aber diese ›zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt‹ (Artikel 1 Satz 2 Grundgesetz).
    Auch wenn wir, was emotional wahrlich nicht leichtfällt, die Menschenwürde des Täters und die Menschenwürde des Opfers als einander vor der Verfassung gleichwertig gegenüberzustellen haben, kann nicht die Menschenwürde des situationsbedingt faktisch ›Stärkeren‹ sich uneingeschränkt gegenüber der Menschenwürde des anderen durchsetzen …«
    So war es. Hätten wir Gäfgen die absolute Respektierung seiner Menschenwürde zugestanden, hätten wir damit Jakobs Todesurteil gefällt und seine Menschenwürde mit Füßen getreten.
    »… Die umstrittene polizeiliche Maßnahme sehe ich in der konkreten Situation vielmehr als ermessensfehlerfreie Tätigkeit im Rahmen der Amtspflicht zur Erfüllung der verfassungsrechtlich gebotenen staatlichen Schutzpflicht für Leben und damit Menschenwürde des entführten Opfers«, beendet Kissel sein Essay.
    »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt«, steht in Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes. Unsere Frankfurter Richter sahen nur die eine Hälfte dieser Verpflichtung: »Die Achtung der Menschenwürde ist die Grundlage dieses Rechtsstaates.« Es folgte ein weitschweifiger Exkurs über die deutsche Vergangenheit und die »Gräueltaten« zur Zeit des Nationalsozialismus – also ein doppeltes »politisches« Urteil? Zum einen die Bestrafung für die historische Belastung unserer nationalsozialistischen Vergangenheit, zum anderen, um aller Welt zu zeigen, dass in Deutschland nicht »gefoltert« werden darf.
    Zu der anderen

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