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Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod

Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod

Titel: Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ortwin;Höhn Ennigkeit
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(auf Seite 9 wird das sogar eingeräumt). Dies ist nicht nur ein offensichtlicher Widerspruch, sondern ein geradezu unwürdiger Argumentationskniff.
    Alles dies (und noch weiteres), was das Gericht Daschner dann später bei der Strafzumessung ›großmütig‹ wieder zugutehält, hätte bereits in die Rechtswidrigkeitsprüfung gehört und dort zwingend ergeben, dass dieser Mann keineswegs ›verwerflich‹ im Sinne des Nötigungsparagrafen, sondern durch Notstand gerechtfertigt und zudem absolut human gehandelt hat. Daher: Respekt für Wolfgang Daschner, aber nicht für sein Gericht.«
    Hartmut von Tzschoppe hatte nicht nur die gravierenden Mängel dieses Urteils, sondern auch seine Zielrichtung erkannt und zutreffend beschrieben: nämlich unsere Verurteilung »um jeden Preis«, auch um den Preis von Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit.
    »Der Mensch sollte nicht ein zweites Mal als Träger von Wissen behandelt werden können, das der Staat aus ihm herauspressen will, und sei es auch im Dienste der Gerechtigkeit«, so heißt es in unserem Urteil.
    War es der politische Druck aus Berlin, dass es sich Deutschland, das Folter und andere Menschenrechtsverletzungen weltweit anprangert, nicht leisten könne, uns unbestraft zu lassen?
    Oder sollte lediglich das Vorgehen der Staatsanwaltschaft, die mit dem unzutreffenden und populistischen Vorwurf des Verbrechens der Aussageerpressung die »Folterdiskussion« erst ermöglicht hatte, nicht in vollem Umfang der Lächerlichkeit preisgegeben werden?
    Die Staatsanwaltschaft war von Anfang an informiert, aber erst der Tagesspiegel -Artikel und der Kassiber von Gäfgen hatten sie veranlasst, Gäfgen dazu zu befragen. So konnte er seine übertriebene Foltermärchen-Story erfinden und sie zu seinen Gunsten ausnutzen. Wäre die Staatsanwaltschaft den Vorwürfen gleich nachgegangen, hätte sie ein schnelles Verfahren angestrebt, also eine sofortige öffentliche Aufklärung. Hätte sie unseren Prozess vor Gäfgens Prozess beendet, hätten wir als Zeugen zur Verfügung gestanden und hätten zu den Tatsachen in seinem Prozess aussagen können, wir hätten die Wahrheit schildern können. Damit wäre vermieden worden, dass sich Gäfgen als Folteropfer aufspielen konnte und wir – da Beschuldigte – als Zeugen nicht zur Verfügung stehen durften. Durch die Verschleppung unseres Prozesses spielte die Staatsanwaltschaft in Gäfgens Hände, er konnte unwidersprochen lügen, so viel und wie er wollte.
    Ich möchte jetzt Überlegungen und Fragen ansprechen, die das Gericht nicht beachtet hatte, als es uns verurteilte.
    Von welchen Voraussetzungen mussten wir am Morgen des 1. Oktober 2002 ausgehen?
    Jakob von Metzler war am 27. September 2002 gegen 10.40 Uhr entführt worden. Da er den Täter kannte, durfte er zwar aus dessen Sicht nicht überleben, andererseits musste Gäfgen aber damit rechnen, dass die Eltern seines Opfers vor der Zahlung des Lösegeldes ein aktuelles Lebenszeichen fordern könnten.
    Gäfgen selbst hatte erklärt, dass Jakob noch am Leben sei und in einer Hütte gefangen gehalten werde. Bis zum Nachweis des Todes mussten wir davon ausgehen, dass Jakob noch lebte und gerettet werden konnte.
    Die Frist, bis er wegen Flüssigkeitsentzugs sterben würde, war fast erreicht, wie der Gerichtsmediziner Prof. Dr. Lutz, der die Leiche obduziert hatte, bestätigte.
    Dazu kam die Gefährdung durch die herbstliche Kälte, die zum Tod durch Unterkühlung führen konnte. Akuter Auslöser für Daschners Entscheidung war letztlich die Meldung, dass in einer von Gäfgen beschriebenen Hütte ein Schlaflager in Kindergröße mit Blutanhaftungen gefunden worden war. Ein höheres Maß an Lebensgefährdung ist wohl kaum vorstellbar!
    Nicht nachvollziehbar und geradezu bedrückend war für mich die Darstellung von Staatsanwalt Möllers, dass es am Morgen des Tattages »sehr fraglich« gewesen sei, »ob das Kind überhaupt noch lebte«. Die Strafkammer räumte immerhin ein, es habe zu dieser Annahme eine »ernstzunehmende Alternative« bestanden: »So war nicht auszuschließen, dass sich das Kind in der Obhut anderer Leute befand, die ohne den Einbezug Gäfgens selbstständig agierten. Aber auch wenn Gäfgen Alleintäter sein sollte, konnte sich das Kind lebend irgendwo, möglicherweise in hilfloser Situation, in einem Versteck befinden.« Auch der Erpresserbrief habe berechtigten Anlass zu der Hoffnung gegeben, »dass Jakob von Metzler noch lebte, da dessen Freilassung nach Zahlung des Lösegeldes

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