Um Leben Und Tod
Tatbeteiligung zu stellen. Für den Fall der weiteren Weigerung Gäfgens sollte ich ihm ankündigen, dass sich die Behördenleitung des Polizeipräsidiums damit nicht zufriedengeben könnte; er müsste damit rechnen, dass unmittelbarer Zwang gegen ihn angewendet würde. Einem Jurastudenten, der bereits den schriftlichen Teil des ersten Staatsexamens abgelegt hatte, war wohl klar, dass dies mit Schmerzzufügung verbunden wäre. Daschner entlieà mich mit den Worten: »Bereiten Sie ihn darauf vor!«
Wolfgang Daschner eilte ein groÃer Ruf voraus. Seit Jahrzehnten war er bekannt dafür, logische und korrekte Lösungen zu finden. Er hatte das Gesetz kein einziges Mal gebrochen und war stolz darauf. Jetzt trug er die Verantwortung für das Leben eines entführten Kindes. Ich war der festen Ãberzeugung, dass er die rechtliche Seite höchst genau und intensiv geprüft hatte. Vermutlich hatte er sich mit unserem Justiziar oder anderen Experten besprochen. Mir war aber klar, dass eine Gewaltanwendung nur eine absolute Ausnahme sein konnte.
Ich wollte, ich musste die Wahrheit herausfinden, bevor tatsächlich Zwang angewandt oder Schmerzen zugefügt würden. Mit diesem Gedanken im Kopf verlieà ich Daschners Büro.
Ãber die rechtliche Seite dachte ich nicht weiter nach. Die Führungsriege der Frankfurter Polizei hatte zwar auf ein eventuelles Beweisverwertungsverbot hingewiesen, aber niemand hatte rechtliche Bedenken angemeldet oder gar konkret von einer möglichen Strafbarkeit gesprochen.
In den wenigen Minuten, die mir blieben, hatte ich keine Chance und keine Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen. Ich wollte es auch gar nicht.
Daschners Ãberlegungen riefen Bilder von anderen Entführungen in meinem Kopf wach. Ich sah angsterfüllte Augen, die mich anflehten, Schläuche, die aus der Erde ragten und Luft in ein Verlies zu dem lebendig begrabenen Opfer leiten sollten.
â Gernot E.
Am 19. Oktober 1976 wurde der 32-jährige Brauereierbe entführt. Trotz Zahlung des Lösegeldes wurde er tot in einem verfallenen Westwall-Bunker aufgefunden. Er war an die Wand gekettet. Gernot E. ist an Unterkühlung und Entkräftung gestorben.
â Eustachius H.
Der sechsjährige Junge wurde am 20. Dezember 1976 von dem hoch verschuldeten Karl-Heinz Krämer entführt. In Panik erdrosselte er das Kind mit einem Draht, steckte es in einen Sack und versteckte das Bündel im Wald. Daraufhin rief er die Eltern an und verlangte Lösegeld für die Freilassung des Jungen.
â Ursula H.
Am 15. September 1981 wurde das zehnjährige Mädchen in Eching von seinem Fahrrad gerissen und entführt. Die Täter versteckten das Kind in einer Kiste, die in einem Erdloch vergraben war. Ursula erstickte qualvoll in dem Versteck. Die Täter verlangten dennoch Lösegeld. Zur Geldübergabe kam es nicht mehr, da die Polizei am 4. Oktober das Verlies mit dem toten Mädchen gefunden hatte.
â Nina von G.
Die Achtjährige wurde am 18. Dezember 1981 auf dem Schulweg entführt. Nach 149 Tagen kam sie nach Zahlung des Lösegeldes frei. Einen Teil der Entführungszeit verbrachte das Mädchen in einer Holzkiste. Die Entführer wurden nie gefasst.
â Johannes E.
Am 6. März 1981 entführten drei Männer den elfjährigen Sohn des KEC-Präsidenten Jochen E. und lieÃen ihn nach zwei Wochen gegen die Zahlung von drei Millionen Mark wieder frei. Zwei Wochen verbrachte der Junge angekettet in einem 1,50 mal 2,00 mal 1,60 Meter kleinen Bretterverschlag.
â Jacub F.
Der 40-jährige Mann wurde am 1. Oktober 1996 vor seinem Frankfurter Büro verschleppt und in einem Verschlag gefangen gehalten. Da einem der Täter die Maske verrutscht war und er Angst bekam, erkannt worden zu sein, erschlugen sie F. mit einem Spaten im Wald. Danach verlangten sie vier Millionen Mark Lösegeld für die Freilassung des Opfers.
â Matthias H.
Der 20-Jährige wurde am 14. September 1997 bei Potsdam entführt und, wie durch die Erpresserbriefe bekannt war, in einem Erdloch vergraben. Die Polizei fasste die Entführer zufällig einige Tage nach der Lösegeldübergabe. Erst nach langen und mühsamen Verhören gaben sie den Aufenthaltsort des jungen Mannes preis. Er war mittlerweile in dem Erdloch qualvoll verhungert und verdurstet. Vor Verzweiflung hatte Matthias H. noch versucht, seinen Schuh
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