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Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Titel: Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samy Molcho
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Reihenfolge der etwa dreißig Stufen der Annäherungsrituale besetzt. Bei den Amerikanern steht der Kuss auf Stufe fünf, also relativ nah am Anfang, bei den Engländern auf Stufe 25, sodass der Kuss im britischen System bereits die intime Stimulierung des Beischlafs bedeutet. Wenn der GI lediglich der Meinung war, es sei nun Zeit für den ersten Kuss, musste das für die englischen Mädchen sehr verwirrend sein, dass der fremde Freund so schnell mit ihr schlafen wollte. Für sie gab es nur zwei Alternativen, entweder die sofortige Beendigung des Verhältnisses oder die Bereitschaft zu Intimitäten - was wiederum für den Amerikaner überraschend kam.
    Es geht grundsätzlich um die Reihenfolge von Berührungen in vertrauter Nähe. Lippenkuss oder Zungenkuss, was erlauben die Rituale der Völker? In welchem Stadium der Intimität ist die Berührung der Brust noch tabu, wann ist sie geradezu gefordert? Wir dürfen jedoch nicht davon ausgehen, dass diese Rituale in einem fortgeschrittenen Stadium des intimen Umgangs miteinander außer Kraft gesetzt sind. Annäherung und Intimität sind nie als selbstverständlich vorauszusetzen, selbst in einer langjährigen Partnerschaft nicht. Habe ich den Eindruck, dass die Signale meines Partners sich verlangsamen, kann ich versuchen, eine Beschleunigung herbeizuführen, überspringen jedoch lässt sich nicht eine einzige Stufe des jeweils geltenden Rituals, vom Augenkontakt über die Annäherung, von den kleinen Berührungen bis zum zärtlichen Kuss und hinauf in die Höhen der Lust. Es ist der Respekt vor dem Partner, der es ihm erlaubt, auf jeder dieser Stufen mit Ja oder Nein zu reagieren. Denn jeder von uns kann in irgendeinem beliebigen Moment von dem Bedürfnis nach Distanz überfallen werden. In einer funktionierenden Partnerschaft bedarf es dann keiner Ausreden, wie: »Ich habe Kopfschmerzen - ich habe meine Tage - die Arbeit wächst mir über den Kopf.« Wiederholen sich derartige Ausreden über einen längeren Zeitraum hin, sollten wir uns langsam, aber sicher über die Qualität der Beziehung Gedanken machen. Die Frage ist, wieweit solche Distanzierungen tiefer begründete Ursachen
haben. Eine offene Aussprache über die Gefühle, die eine Partnerschaft erweckt, könnte hilfreich sein, Kränkungen, Verletzungen und nicht erfüllte Erwartungen ans Licht bringen, die dem gegenseitigen Vertrauen geschadet haben, und den gestauten Fluss positiver Energie zwischen den Partnern wieder zum Fließen bringen. Gründe sind aber gar nicht ausschlaggebend, denn in einer von gegenseitigem Respekt getragenen Beziehung ist es selbstverständlich, dass es keine zwangsweise gewährte Intimität zu geben hat.
    Unsere zivilisatorisch begründete Geruchsempfindlichkeit - es war schon die Rede davon, dass wir einander gut oder weniger gut »riechen« können - hat uns den natürlichen Ausdünstungen eines Menschen entfremdet. Es gibt Ausnahmen, in denen ein nach Schweiß und Kampf duftender Männerkörper erotische Gefühle weckt. Dennoch ziehen wir es vor, mit Duftwässerchen und Salben einen künstlichen und doch wieder eigenen Duft zu kreieren. Zwar handelt es sich um Ersatzstoffe, dennoch machen sie für uns die persönliche Note eines Menschen aus und können uns durchaus erotisch inspirieren. Manchmal erinnert uns ein bestimmter Duft noch nach Jahren an einen Menschen, der uns einmal etwas bedeutet hat.

Von den Zielen der Annäherung
    Wenn wir von Flirt sprechen, haben wir zumeist die spielerische und vor allem erotische Annäherung zwischen Mann und Frau im Sinn. Fassen wir den Begriff aber etwas weiter, lassen sich viele Varianten von Begegnungen zwischen Menschen unabhängig von ihrer Geschlechtsbestimmung darunter zusammenfassen. Verstehen wir den Flirt nämlich nicht allein als ein Vorspiel für Vereinigung und Vermehrung, erkennen wir darin auch die Merkmale eines Austausches mit kleinen Versprechungen. Es könnte damit nicht mehr und nicht weniger als ein positiver Signalwechsel verstanden werden. Es genügen ein paar freundliche Komplimente, überhaupt der Austausch von Zeichen der Wertschätzung unter Partnern. Nicht erst seit gestern bahnen sich Beziehungen und Bekanntschaften vielfach am Arbeitsplatz an. Die Reduzierung auf die reine Funktion, die man in der Arbeitswelt einnimmt, ignoriert, dass eben nicht nur eine Funktion zur
Arbeit antritt, sondern der ganze Mensch. Wer glaubt, die Zusammenarbeit zwischen Menschen ließe sich auf ihre offiziellen Funktionen

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