Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
Tuch des Anzugs, der Sportwagen vor der Tür. Wir können sicher sein, dass Statussymbole bemerkt werden. Sie sind das Erste, was ins Auge fällt. Akademische Titel und die Bezeichnungen sozialer Hierarchie sowie Intellekt und Kreativität versprechen ebenso ein
gesichertes und gehobenes Leben. Da haben es die sogenannten »inneren Werte« schwerer, ans Licht zu kommen und angemessen geschätzt zu werden. Wissen und Gesinnung, gute Sitten und Humor machen sich erst nach längerem Hinsehen oder Zuhören bemerkbar. Um zu dieser Information zu kommen, muss die primäre, weil äußerliche Einschätzung vorangegangen sein. Ich muss mich auf den anderen eingelassen haben, um in einen Austausch auf geistiger Ebene mit ihm zu gelangen. Jetzt erst kann sich die Anziehungskraft einer geistigen Überlegenheit erweisen.
Anziehungskräfte und Erfolgsaussichten
Jeder wünscht sich, wahrgenommen zu werden, und wir versuchen alle, Aufmerksamkeit anzuziehen. Beim Flirt, bei jedem Versuch, sich einem anderen Menschen anzunähern, erhält die Frage nach unserer Wirkung auf andere singuläre Bedeutung. Die Erkenntnisse über die Spiegelneuronen in unserem Gehirn, von denen schon in anderem Zusammenhang die Rede war und durch die wir uns im anderen wiedererkennen können, zeigt, dass beispielsweise ein Lächeln nicht nur auf uns, sondern zugleich auf andere wirkt. Ein Lächeln, das sich über mein Gesicht ausbreitet, macht es dem übrigen Körper faktisch unmöglich, sich zu verkrampfen. Wenn wir einen anderen Mensch anlächeln, wird ihm gar nichts anderes übrig bleiben, als zurückzulächeln. Es sei denn, er wäre ein ganz verstockter Typ.
Ich will also Aufmerksamkeit erwecken. Wie mache ich das, wenn meine Zielperson nicht gerade neben mir steht? Sie ist im selben Raum mit mir, aber in kaum erreichbarer Entfernung. Wie wäre es, wenn ich einfach einen Löffel fallen lassen würde, der ein schepperndes Geräusch verursacht, sodass alle Köpfe sich nach mir umdrehen? Richte ich nun meinen Blick mit einem Lächeln, auch wenn es nur ein Verlegenheitslächeln wäre, allein auf die eine Person, um die es mir geht, werde ich außer einer flüchtigen Aufmerksamkeit aller vielleicht doch ein besonders Interesse bei meiner Zielperson angestoßen haben, und zwar nur durch mein Lächeln, das zu beantworten fast unumgänglich sein müsste.
Weniger feinsinnig, aber vielleicht mindestens so auffallend kann es wirken, in einer kleinen Gesellschaft in lautes Gelächter auszubrechen. Manche Männer heben aus solchem Anlass plötzlich ihre Stimme oder sprechen mit ausladenden Gesten. Übertreibungen allerdings erzeugen meist wenig Sympathie, also das Gegenteil der erwünschten Wirkung.
Die beiden verstehen einander! Auch ihre Körperhaltung, einschließlich der Handstellung, gleicht sich fast vollkommen, der eine fühlt, was der andere empfindet. Die modere Wissenschaft führt diese Fähigkeit des Menschen auf gewisse Gehirnzellen, Spiegelneurone, zurück, die solche Einfühlung befördern.
Ein gemeinsames Gefühl spiegelt sich körpersprachlich wider. Der Gesichtsausdruck oder auch spontane Bewegungen unseres Gegenübers zeichnen sich in unserem Gehirn ab. Befinden wir uns mit ihm in gleicher Gefühlsstimmung, entstehen Spiegelbilder. Die beiden Kolleginnen haben bei ihrer Arbeit ganz unbewusst eine absolut kongruente Haltung angenommen.
Die Erfolgsaussichten hängen von verschiedenen Komponenten ab, natürlich vom Ziel meiner Annäherung, aber auch von persönlichen Konstellationen. Wer mit der eigenen Schüchternheit zu kämpfen hat, wird eher weniger riskieren als jemand, der seine Schüchternheit zu überspielen weiß oder dessen Selbstbewusstsein ohnehin ganz ungebrochen ist. Dem Schüchternen fällt es leichter, wenn der andere den ersten Schritt zur Überwindung der Distanz unternimmt und versucht, die Hemmung, die er bei seinem Gegenüber wahrnimmt, mit einem Kompliment zu lösen. Jener Hemmung liegt ja fast immer die Angst zugrunde, zurückgewiesen zu werden. Deshalb werden die eigenen Angebotssignale so gut es geht versteckt, und das kostet wiederum so große Anstrengung, dass die Kraft fehlt, die entgegenkommenden Signale des Wunschpartners überhaupt wahrzunehmen. Dieser doppelte Energieverlust verleitet einen schüchternen Menschen leicht dazu aufzugeben, sich in sich selbst zurückzuziehen und damit die Distanz zum anderen weiter zu vergrößern. Dem schon vorher vorhandenen negativen Selbstbild »Der andere will ja sowieso
Weitere Kostenlose Bücher