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Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Titel: Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Shakespeare, Wieland und Homer?
    Auf Tausenden von Zetteln im Format von Visitenkarten hat er Notizen gemacht, auch für seine Übersetzungen von Edgar Allan Poe. Im Metawerk »Zettels Traum« spielt das alles eine Rolle.
    Friedrich de la Motte Fouqué, dem er eine Biographie widmete (neuerdings weist man ja nun nach, was alles in seinen Darstellungen irgendwie nicht stimmen kann), kommt in dem Kurzroman »Brand’s Haide« vor, mit dem Arno Schmidt einen eigenen Schreib- und Sprachstil in die deutsche Literatur einführte: merkwürdige Wortbildungen, Schnappschußtechnik, äußerste Genauigkeit.

Georges Simenon
    Jetzt kommt der große Simenon an die Reihe, groß in jeder Hinsicht: zweimal verheiratet plus Konkubine und, in Worten, zehntausend Seitensprünge; mehr als tausend Erzählungen, mindestens hundertachtzig Groschen- und dann buchstäblich Hunderte von »richtigen« Romanen, in einundvierzig Sprachen übersetzt, darunter ins Tatarische und Singhalesische; Krimis und auch Nichtkrimis, gerühmt von bedeutenden Menschen unserer Epoche, Churchill, Adenauer, Mao Tse-tung, Chaplin, Hemingway, André Gide, selbst Heinrich Böll zählte zu seinen Lesern, und doch nur in Taschenbüchern aufgelegt – allerdings im feinen Diogenes Verlag.
    Abgesehen von seinen vielen Romanen – in einem Jahr hat er mal zehn Stück geschrieben – hinterließ er uns auch Autobiographisches, die »Intimen Memoiren« 42 , über neunhundert Seiten, eng bedruckt. Man kann sie aufschlagen,
wo man will, es ist immer packend. Mit Josephine Baker hat er geflirtet. Ein Schiff hat er sich bauen lassen und ist damit die französischen Kanäle und Flüsse hinauf- und hinuntergefahren, dann nach Holland, Norwegen, einmal war er sogar in Wilhelmshaven. Boule, seine Geliebte, mußte an Land schlafen und ihm morgens, bis zur Brust im Wasser zum Schiff hinwatend, das Frühstück bringen.
    Sein Familienleben ist ihm nicht geglückt. Abgesehen von seinen verschiedenen Frauen beging seine Tochter, die sich von ihm mit zwölf Jahren einen Ehering schenken ließ, Selbstmord.
    Eine Weltreise hat er unternommen 1935: New York, Panama, Costa Rica, Kolumbien, Ecuador, Galapagosinseln, zwei Monate auf Tahiti, Australien, Neuseeland. Auf dem Schiff verliebte er sich in eine sechzehnjährige Engländerin, der er mit Hilfe eines Wörterbuchs des Nachts den Hof machte. Er saugte Leben in sich hinein, um es in seinen Werken hernach eiskalt und stückchenweise wieder von sich zu geben. Einzigartig die Gradlinigkeit und Konsequenz seines Stils. Aah! Das haben unsere deutschen Krimischreiber noch nicht begriffen, daß man Diebe, Mörder und Schänder nicht beschimpfen soll. Sein Maigret ist milde, aber unnachgiebig, vertrauensvoll und scharfsichtig. Dutzende Verfilmungen seiner Romane gibt es, der Kommissar mit der Pfeife durch insgesamt elf verschiedene Schauspieler dargestellt, darunter
der große Jean Gabin und leider auch der feuerzangengebowlte Heinz Rühmann. Der japanische Maigret hieß Kinya Aikawa.
    Am 19. September 1972 beschloß er, sein neunundzwanzigstes Haus zu verkaufen, in ein Appartement zu ziehen und nicht mehr zu schreiben, was er natürlich nicht ganz eingehalten hat.
    Das letzte Foto von ihm zeigt ihn, immer noch ganz Bankbeamter, vor einem uralten Baum sitzend. Dreißig-Zimmer-Villen hat er besessen, und gestorben ist er in einem kleinen rosa Häuschen in einem Neubauviertel in Lausanne.
    Ich bin in mehreren Buchhandlungen gewesen, um Bücher von ihm zu kaufen, keine hatte ihn vorrätig, ist das nicht eigenartig? Aber Handke, Johnson oder Arno Schmidt sucht man auch vergebens.
    Irgendwann hat man konstruieren wollen, daß er deutscher Abstammung sei. Das ist irgendwie Gott sei Dank nicht geglückt, als Belgier ist er mir sympathischer.

Johannes Mario Simmel
    Ich weiß nicht, ob man seine Bücher für poetisch halten kann – wohl eher nicht –, seine (auch schon mal bei Shakespeare, Goethe oder Bob Dylan entlehnten) Titel sind es allemal: »Der Stoff, aus dem die Träume sind«, »Wir heißen euch hoffen«, »Die Antwort kennt nur der Wind«. Sie haben den Lesern so imponiert, daß auch Falsifikate reüssierten, die seine Bücher bis hin zur Aufmachung imitierten.
    Der »Bestsellermechaniker«, wie ihn der »Spiegel« nannte, der immer noch am liebsten seine Reiseschreibmaschine Marke »Gabriele« benutzte, hatte immer die »richtigen« Themen: Neonazis, Alkoholismus (den eigenen in den fünfziger Jahren, seitdem trinkt er nur noch Tee), Dritter

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