umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)
Rover. Nach den harten Stühlen im Präsidium waren die vorgewärmten Ledersitze wie eine weiche Umarmung, und meine Augenlider senkten sich unaufhaltsam. Um nicht einzuschlafen, kniff ich mir ins Ohr und rieb mir die Nase.
»Also, wo darf es denn jetzt hingehen?«
Na ja, nur, wo Abendroth draufsteht, ist auch Abendroth drin. »Zum Bestattungsinstitut, bitte«, antwortete ich gähnend.
»Wohnen Sie da jetzt wirklich?«
»Nein. Ich leih mir nur hin und wieder einen Sarg zum Übernachten aus.«
Wäre ich wohl sonst so blass?, wie ich im Schminkspiegel der heruntergeklappten Sonnenblende feststellen konnte. Gegen Herzigs Kreuzfahrtbräune war mein Teint weder vornehm noch gesund zu nennen. Die ersten Zuckerpickel machten sich an meinem Kinn breit. Ich fasse das Zeug nie wieder an – und wenn ich verhungere, schwor ich mir und schob die Trappermütze ein bisschen hoch, weil die Klimaanlage den Wagen sehr schnell auf Temperatur brachte und ich binnen Minuten ansonsten Eier darunter hätte ausbrüten können.
Herzig schaute auf meine Mütze und sagte: »Vielleicht möchten Sie doch erst zum Friseur? Soll ich Sie bei Frau Korff absetzen?«
»Nein. Und keine weiteren Fragen, bitte. Mir reichts für heute mit der Inquisition.«
»Wie Sie meinen. Also, auf ins Bestattungsinstitut«, sagte er im Tonfall eines englischen Butlers, der seinem Herrn die gebügelte Times ans Bett bringt. Noch während er den Wagen vom Parkplatz lenkte, wählte er eine Nummer auf seinem Handy. Da er die Freisprechanlage eingeschaltet hatte, konnte ich hören, wie Carmen flötete:»Herzilein. Wie schön, dass du dich meldest. Schaffst du es noch zum Put-Training in den Golfclub, oder soll ich alleine fahren?«
Wäre ich ein Seehund gewesen, ich hätte heulend die Flossen über meinem Kopf zusammengeschlagen. Stattdessen sagte ich: »Hallo, Carmen, dein Herzilein hat vergessen, dir zu sagen, dass ich mit im Auto sitze. Also bitte keine weiteren Liebesbekundungen.«
»Du bist das … Maggie!«, rief sie. »Hat er dich rausgepaukt?«
Oh weh, diese Sprache. Was war denn bloß mit Carmen, der frischgebackenen Bauunternehmerswitwe aus Recklinghausen-Süd, während ihres Urlaubs mit dem Staranwalt passiert?
»Ja, hat er. Fürs Erste jedenfalls.«
»Carmen, Liebes, fahr schon mal vor; ich bin in einer halben Stunde im Clubhaus«, unterbrach Herzig unsere kleine Unterhaltung und legte auf, bevor Carmen mir von ihrer Schiffsreise vorschwärmen konnte. Im Gegensatz zu mir hatte sie es mit ihrem Lover wirklich bis in die Karibik geschafft. Carmen müsste man heißen.
Kurze Zeit später hielten wir vor ›Bestattungen Abendroth‹. Die Vorhänge im großen Schaufenster waren zugezogen, aber ein zarter Lichtschein hinter den Gardinen konnte nur bedeuten, dass Mia im Büro war und die Stellung hielt.
»Danke fürs Bringen, Dr. Herzig. Wann holen Sie denn endlich Matti und Rudi raus? Nach dem Putten?«
»So schnell es geht. Das verspreche ich Ihnen. Spätestens morgen sind sie wieder frei. Nach allem, was Winnie Blaschke mir schon berichtet hat, kann die Spurensicherung nicht nachgewiesen haben, dass die beiden direkten Kontakt mit der Leiche hatten.«
»Wann haben Sie denn mit Winnie gesprochen? Sie waren doch die ganze Zeit mit mir im Verhör?«
»Wozu hat man einen BlackBerry, Frau Abendroth?«, sagte er und klopfte auf die Brusttasche seiner Anzugjacke. Ich war zutiefst beeindruckt. Unser Herr Anwalt war jederzeit per E-Mail zu erreichen. Ich erinnerte mich, dass er ein paarmal während meines Verhörs aufgestanden war und sich dezent von Seidel und mir weggedreht hatte. Was mein Großinquisitor dazu genutzt hatte, sich weit über den Schreibtisch zu beugen, um mir seinen schlechten Atem ins Gesicht zu blasen. Mich schauderte es jetzt noch, wenn ich daran dachte.
»Und warum hält Seidel die beiden dann noch fest?«
»Er reizt es eben aus.«
»Warum?«
»A – weil er es kann. Noch. Und B – weil ihm nichts Besseres einfällt. Wenn er die beiden gehen lässt, dann kann er ganz von vorne anfangen. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Ich kümmere mich darum. Und jetzt schlafen Sie mal ein bisschen. Ich muss vorm Putten noch die Kois füttern.«
»Grüßen Sie Carmen von mir. Und vielen Dank für alles.«
»Warten Sie ab, bis Sie meine Rechnung bekommen.«
»Ich schlage jetzt schon Ratenzahlungen vor. Und wehe, Sie nehmen Geld von Matti für meine Rechnung. Wie ich ihn kenne, wird er es Ihnen bestimmt anbieten.«
»Frau Abendroth – das
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