umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)
sollst?«
»Nee, is besser, wenn die nix weiß – dat is sicherer für die. Herrmanns wollte die nich in Gefahr bringen.«
»Ach, aber mich?!«
»Bisse gezz dabei? Willze die Sensation oder nich?«
Also Maggie, was hast du zu verlieren, säuselte meine innere Stimme. Tu dem alten Mann einen Gefallen. Und: Sensationen bekommt man nicht alle Tage auf dem Silbertablett präsentiert. Apropos Silbertablett … Die Prince-Charles-Tasse …
»Willst du nicht lieber auf Winnie warten? Der kommt morgen oder übermorgen aus St. Petersburg zurück. Wenn die Sache so gefährlich ist, ist sie bei ihm wohl besser aufgehoben, oder? Der ist schließlich bewaffnet.«
»Ach der …«, sagte Borowski abfällig.
»Was, ach der …«, insistierte ich.
»Der is nich der Richtige für sowat«, sagte Borowski und kramte etwas aus seiner Manteltasche. »Du muss’ dat au’ nich umsonst machen. Hier.« Er hielt mir etwas entgegen, das in Zeitungspapier eingewickelt war. Ich packte das Päckchen aus und hielt die Prince-Charles-Tasse in der Hand. Du meine Güte, Borowski machte wirklich ernst.
»Woher hast du die?«
»Aussem Regal.«
»Das ist Herrmanns’ Tasse. Nimm sie wieder zurück. Du kannst doch nicht einfach …«
»Dat is okay. Ich hab den Herrmanns gefracht.«
»Ich denk’, der ist im Koma. Borowski, du bist ja doch besoffen.«
»Ich kann mit meinem Kumpel reden, auch wenn der …«
Das hatte doch alles keinen Zweck. Um die Diskussion abzukürzen, wickelte ich die Tasse wieder in die Zeitung ein und steckte sie in meine Tasche.
»Na gut, ich bin dabei«, sagte ich schnell und dachte an die zwei Kästen Bier und die zwei Flaschen Jägermeister, die mir Herrmanns und Borowski im Sommer für einen simplen Observierungsjob aus dem Kreuz geleiert hatten. Ich konnte die Tasse ja bei Gelegenheit wieder zurückgeben.
Borowski machte die Tür wieder zu und sagte unwirsch: »Dann fahr doch endlich ma’ los.«
Ich glaube, ich behalte die Tasse doch.
»Und wohin?«
»Zu Herrmanns’ Garten natürlich, wohin denn sonz? Dat fängt ja gut an …«
Ich behalte Charles ganz bestimmt.
Keine Viertelstunde später standen wir in Herrmanns’ Laube. Der Hagel prasselte auf das Wellblechdach, und ich fröstelte.
»Hör mal, Borowski, hier ist es echt schattig. Kannst du mal den Ofen anmachen?«
Borowski guckte mich an, als hätte ich ihm einen unsittlichen Antrag gemacht.
»Was ist? Gibt’s kein Holz? Soll ich welches holen, draußen aus dem Kabuff?«
»Et gibt kein Abzugsrohr! Guck doch mal richtich hin.«
»Aber da ist doch ein Abzugsrohr.«
»Aber et is nich angeschlossen, Mann.«
Herrmanns mochte ja ein harter Knochen sein und Wind und Wetter trotzen, aber ich nicht.
»Dann beeil dich mal. Wo ist das Geheimnis denn? Im Safe?«
»Nee. Dat is hier.« Borowski öffnete die Ofenklappe, schob den Ärmel seines Wollmantels hoch und zog eine dicke, zusammengerollte Mappe heraus.
»Ich nehme das mit ins Taxi. Da kann ich wenigstens die Standheizung anmachen.«
»Du wirst dat nich mitnehmen. Dat muss hier bleiben. Wer weiß, hinterher lässt du dat irgendwo liegen, oder et wird dir geklaut.«
Borowski presste die Mappe an seine Brust. Jetzt war ich schon so weit gegangen, dann wollte ich wenigstens für fünf Minuten einen Blick drauf werfen.
»Also gut …«
Ich zündete den Camping-Gaskocher an, setzte Wasser auf und suchte nach den Überresten des Instant-Kaffees.
»Hier is Herrmanns’ Geheimnis«, sagte Borowski feierlich und klopfte mit der flachen Hand auf die Mappe.
»Von dem du glaubst, dass es dazu geführt hat, dass er angefahren wurde?«
»Ich glaub’ gar nix. Ich red von Tatsachen. Umgebracht werden sollte der. Ausradiert!« Aus Borowskis Gesicht war jede Farbe gewichen. Mit zitternden Händen streckte er mir die Mappe entgegen. Dann drehte er sich wieder um und kramte noch ein Päckchen Briefe aus dem Ofen. »Dat is ein Skandal, den hat die Welt noch nich’ gesehen. Die werden die Geschichte neu schreiben müssen, sacht der Herrmanns.«
Ich legte Mappe und Briefe auf den Tisch. Na gut, dann wird Maggie Abendroth den Skandal mal auf seine Trächtigkeit hin begutachten.
»Wehe, es ist nur ein Skandälchen, Borowski. Und ich gebe gerade dafür meine halbe Taxischicht her und hol mir hier in diesem Eiskeller den Tod.« Im Übrigen tue ich das nur für Prince Charles, hätte ich noch hinzufügen können, aber Borowski machte nicht den Eindruck, dass er jetzt noch einen Scherz hätte vertragen
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