umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)
klassische Musik, und die Konzerte sind immer ausverkauft.
Tja, man müsste Klavier spielen können, dachte ich, da lässt man eine Stunde oder zwei die Finger auf den Tasten tanzen, spielt Sachen von Leuten, die schon lange tot sind und die das Publikum sowieso schon kennt, und bekommt Applaus; dann geht man wieder ins Hotel und am nächsten Tag: andere Stadt, anderes Publikum, selbes Stück und wieder Applaus. Man muss noch nicht mal seine Koffer selber tragen. Plötzlich meldete sich die Stimme meiner Oma selig zu Wort: Hättest ja auch was Ordentliches lernen können, Kind, dann stünde dir die Welt offen, und du wärst nicht auf die Gunst deines Ex angewiesen, um aus Bochum rauszukommen.
Also, weißt du, Oma, hast du jetzt die ganze Zeit auf deinen Einsatz gewartet? Ich bin auf niemanden angewiesen. Noch nie gewesen!
Oma ordnete den Kragen ihres blauen Kleides und machte ein spitzes Mündchen: Du wirst schon sehen.
Gar nichts werde ich sehen!
Ich pinnte die Karten mit Heftzwecken an die Küchentür und betrachtete mein Werk. Nächste Woche wird hier auch eine Karte von mir hängen, dachte ich. Ätschbätsch. Ich konnte mir nicht verkneifen, der Ansichtskarte aus der Toskana von Kai-Uwe und Rita, auf der Pinien oder Zypressen oder welche Bäume auch immer aussehen wie Regenschirme, die Zunge rauszustrecken.
Als ich damit fertig war, fiel mir auf, dass kein Briefumschlag von Matti dabei war, was mich daran erinnerte, dass ich bei ihm vorbeifahren sollte, um ihm von der Veränderung meiner Lebensumstände zu berichten. Und ich könnte auch mal schauen, wie es Mia in ihrem neuen Job erging. Bis jetzt hatte sie noch nicht um Hilfe schreiend hier angerufen, also musste es wohl gut laufen. Bei dem Gedanken an Matti war ich mir nicht ganz sicher, wie er es aufnehmen würde, dass ich mich aus Bochum verabschieden wollte. Irgendwie schien er ja wohl einen Narren an mir gefressen zu haben. Aber er hatte auch nicht viele Freunde zur Auswahl. Für einen großen Freundeskreis hatte er in den letzten Jahren viel zu zurückgezogen gelebt. Als wir zusammen gearbeitet hatten, war es mir zunächst sogar so vorgekommen, als habe er überhaupt kein Zuhause. Im metaphorischen Sinne stimmte das ja sogar. Matti hatte sich in einer Art von Zwischenstadium bewegt – versunken in die Trauer um seine schon vor Jahren verstorbene Frau und den Gedanken, dass er schuld an ihrem Tod gewesen war, weil er auf der Autobahn nicht aufgepasst hatte. Ganz allmählich, im Laufe der letzten Monate, war endlich wieder so etwas wie Leben in ihn zurückgekehrt. Selbst seine Zeit in der Untersuchungshaft schien eine positive therapeutische Wirkung auf ihn gehabt zu haben. Und er hatte zumindest einen neuen Freund gefunden. Der verrückte Rudi tat ihm gut, hatte ich festgestellt. Totschlag hin oder her. Der brachte Leben in die Bude, und Mia würde die beiden schon auf Trab halten und ihnen die Krawatten gerade rücken.
Kaum war ich angezogen, rief Berti an, um mir mitzuteilen, dass sich bei Herrmanns nichts verändert hatte. Er schwebte immer noch zwischen Leben und Tod, und die Polizei hatte keine Hoffnung, den Unfallfahrer zu finden. Berti tröstete sich mit dem Gedanken, dass ihr Winnie das schon richten würde. Ihr Vertrauen in ihren Enkel war grenzenlos. Ja, Winnie würde es schon richten – so, wie er das immer tat. Unter seinem roten Haarschopf und hinter seinen grünen Augen steckte ein verdammt gut arbeitendes Gehirn. Außen elegant und innen schlau, eigentlich eine perfekte Kombination für einen Mann. Und immer zur rechten Zeit am rechten Ort – sonst wäre ich ja nicht mehr am Leben. Ein romantischer Held – wie aus einem meiner Drehbücher. Nur leider schwul. Man kann nicht alles haben. Ob er mich wohl mal in Köln besuchen wird? Wir könnten zusammen auf der Ehrenstraße einkaufen gehen … Und hinterher mache ich im Fotostudio ein Shooting mit ihm. Winnie, das perfekte Model. Das wird ein Spaß …
Es klingelte an der Haustür. Kieslowski kam höchstpersönlich, um mir das Taxi zu bringen. Er übergab mir Schlüssel und Papiere und muffelte: »Auf Wiedersehen, und bring die Karre heile zurück«, und weg war er. Ich hatte die Tür noch nicht zugemacht, da kam er wieder die Treppe raufgehastet. »Da liegt ’ne Vorbestellung nach Düsseldorf Flughafen für dich im Auto. Ankunft 21.45 Uhr.«
»Gibt’s einen Namen?«
»Nee … du wüsstest Bescheid.«
Das konnte nur eins bedeuten: Winnie und Nikolaj.
»Okay. Dann weiß ich
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