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umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)

umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)

Titel: umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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Gewissen beendet.
    Als Helga genau in dem Moment an meinen Tisch gekommen war, um mir das Mittagessen zu servieren, hatte sie mich mit großen Augen angeschaut und gesagt: »Hat der Wieczorek ja doch Recht gehabt mit der Journalistin. Ich wusste ja gar nicht, dat du undercover und so …«
    »Genau Helga, undercover. Und so soll es auch bleiben. Wir verstehen uns.«
    Helga hatte genickt und gesagt: »Deswegen die Mütze.«
    »Genau. Und falls Borowski bei dir auftaucht, kette ihn an die Theke, bis ich wieder da bin.«
    »Wieso?«
    »Helga! Füll ihn notfalls ab. Wahrscheinlich rettest du sein Leben.«
    Sie war zu verblüfft, um weitere Fragen zu stellen.
    Nachdem ich endlich den Eingang der Herner Beton-Bausünde, genannt Tagungszentrum, im Halbkeller gefunden hatte – warum soll man auch einen Eingang zu ebener Erde anbieten, wenn man seine Besucher so schön foppen konnte? –, betrat ich das Foyer. Frau Heckel hatte mich hierher bestellt, weil sie für Van der Baack einen Ausstellungsstand mit alten Musikinstrumenten betreute, der wegen seines plötzlichen Todes vorzeitig abgebaut werden musste. Durch Van der Baacks Tod war die Fachwelt der Freunde der Alten Musik unversehens um einen engagierten Gönner ärmer, hatte sie mir am Telefon erklärt. Da würden einige Experten aus dem Ausland, die sich nur wegen seiner Sammlung angemeldet hatten, sehr enttäuscht sein, dass sein Ableben ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.
    Ich ließ meinen Blick schweifen und stellte fest, dass ich unversehens in eine Twilight-Zone geraten war. Eine Welt, in der es zum guten Ton gehörte, erdfarbene Pullunder zu tragen, versonnen vor sich hin zu gucken und horrende Preise für alte, vergilbte Notenblätter zu bezahlen. Einige Pullunder trugen dicke Bücher unterm Arm, und zu meiner grenzenlosen Verwunderung konnte man hier Schallplatten erstehen, echte, schwarze Schallplatten in kunstvoll aufgemachten Schubern. In der Twilight-Zone war die CD also noch nicht angekommen. Ich hätte mir gern einen Ausstellungskatalog gekauft, aber fünf Euro überschritten mein Budget gewaltig. Während ich im Geiste noch meine Barschaft zählte und die umherwandernden Pullunder beobachtete, flog plötzlich die Tür auf, und eine Grundschulklasse strömte lärmend ins Foyer. Die Pullunder zogen die Köpfe ein, die Frau am Noten-Verkaufsstand breitete ein großes, weißes Tuch über ihr Angebot, legte ein handgemaltes Schild auf ihre abgedeckten Waren mit der Aufschrift ›Berühren verboten!‹ und verfügte sich. Die Kinder warfen ihre Ranzen und Mäntel in eine Ecke neben der offiziellen Garderobe, was zu einem kleinen Aufstand mit der Garderobiere führte, die von allen je einen Euro und das korrekte Aufhängen der Mäntel an die dafür vorgesehenen Haken verlangte, die sie verwaltete. Ich hätte das Scharmützel zwischen Lehr- und Verwaltungskörper gerne noch weiterverfolgt, aber Frau Heckel wartete, und meiner Einschätzung nach würde sie das nicht eine Sekunde länger tun als verabredet.
    Ich nahm die Treppe, die hinauf in den ersten Stock und in die Ausstellung führte, und begann meine Wanderung durch eine Zeit ohne Verstärker, E-Gitarren, Soundcomputer und sonstigen Schnickschnack moderner Musikproduktionen. Die international besetzte Instrumentenbauer-Riege hatte ihre schönsten Stücke mitgebracht, die sie interessierten Pullundern aus aller Herren Länder präsentierten. Ganz allmählich fanden sich zu den exotischen Begriffen, wie Gambe und Vihuela, die dazugehörigen Exponate, und ich stellte fest: Ganz hübsch, aber wer braucht so was? Na ja, das würden die Pullunder beim Betreten eines Gucci- Flagshipstore sich wahrscheinlich auch fragen.
    Zu kleinen Grüppchen formiert standen die interessierten Besucher zusammen und sprachen sehr leise miteinander. Die meisten von ihnen trugen ein schwarzes Trauerband am rechten Oberarm. Die Nachricht vom Tode Van der Baacks war also bereits angekommen. Hier und da probierte jemand ein Instrument aus, zupfte oder strich über die Saiten, was in meinen Ohren klang wie Zwölftonmusik dargeboten auf Eierschneidern. Ich nahm das Informationsblatt eines Ausstellers vom Niederrhein von seinem Verkaufstisch. Er gab vor zu wissen, wie man ›Chitarronen‹ baut. Ich steckte kopfschüttelnd den Handzettel ein. Chitarronen? Ich war mir sicher, dass es sich dabei um Außerirdische aus dem Sternensystem des Beteigeuze handelte. Als ich gerade fragen wollte, ob er mir so einen Chitarronen

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