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Umzug ins Glück

Umzug ins Glück

Titel: Umzug ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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und den Mann, der dieses kaum genießbare Gericht zubereitet hatte. »Moby
     Dick?«
    Jan Hörnum sah mich gekränkt an. »Moby Dick ist doch nicht von Karl May!«, belehrte er mich.
    Romy blamierte sich sofort danach, indem sie sagte: »Nein, das ist von Wilhelm Busch, oder?«
    »Nein, das ist Max und Moritz«, sagte Ines herablassend. Manchmal kann sie ganz schön arrogant rüberkommen. »Und was oder
     wen sollen Sie nun spielen, Herr Hörnum?«
    »Nennen Sie mich Jan«, bat er. »Ich soll die Rolle von Kara Ben Nemsi übernehmen. Ich suche noch nach jemandem, der mir dafür
     Reitstunden gibt. Kennen Sie zufällig eine Reitschule in der Gegend?«
    Ratlos sahen wir uns an. Da wir alle keine zwölfjährigen Töchter hatten, war das Thema für uns nicht so aktuell. »Wir können
     uns ja mal umhören«, bot Klaus an. »Dann spielt das nicht im Wilden Westen?«
    »Nein, das ist doch schon so abgegriffen«, sagte JanHörnum. »Ich meine, wie oft kann man Winnetou sterben lassen? Nein, inzwischen sind sie auf die Orient-Romane übergegangen.
     Das Stück dieses Jahres heißt ›Von Bagdad nach Stambul‹.«
    »Da kann man ja nur hoffen, dass da keine amerikanischen Generäle mitspielen«, knurrte Ines. »Ich weiß nicht, ob das so angemessen
     ist, in dieser Zeit so ein Stück anzusetzen.«
    »Aber die anderen haben sie schon durch«, argumentierte Jan Hörnum, »und das gehört nun mal in die Reihe.« Er begann, uns
     in aller Ausführlichkeit die Handlung zu erzählen – und zwar der Gesamtreihe, nicht nur die des angesetzten Teils. Es dauerte
     eine ganze Weile, bis er mitbekam, dass uns das nicht so brennend interessierte. »Oh«, meinte er und griff nach der immer
     noch halb vollen Auflaufform. »Vielleicht sollte ich mal abräumen. Bleiben Sie bitte sitzen, ich erledige das schon.«
    Er machte mit der Auflaufform seinen Abgang in die Küche, und wir fielen über die Reste der Rohkostplatte her. Wobei das nicht
     mehr viel war. »Glaubst du, es wäre unhöflich, wenn wir noch ein Brot essen?«, zischte Romy mir halblaut zu.
    Ich hatte auch schon etwas Ähnliches gedacht. Es war nur die Frage, wie wir das organisierten, ohne Jan Hörnum zu beleidigen.
     Immerhin hatte er sich viel Mühe gegeben mit diesem bescheuerten Essen (und schon für den vielen Fisch hatte er bestimmt eine
     Stange Geld bezahlt), aber wie wir aus der Werbung wussten, genügt Mühe allein ja nicht.
    »Ich hab noch ein paar Pfefferminz in der Tasche«, sagte Ines hämisch. Sie hatte gut reden, immerhin hatte sie drei anständige
     Pellkartoffeln zu essen gekriegt und musste keine halbrohen Zwiebeln kauen. »Möchte einer?«
    Ich glaube, Romy und Klaus waren fast so weit, in ihrer Hungersnot das Angebot anzunehmen. Aber weil Jan Hörnum nun gar nicht
     wiederkam, sondern offensichtlich die Küche mit unbekanntem Ziel verlassen hatte, machte ich einen mutigen Ausfall. In Windeseile
     schmierte ich drei dick belegte Salamibrote, die wir genauso hastig verzehrten, von Ines mitleidig beäugt, während unten im
     Keller etwas rumpelte.
    Wir stellten das Kauen ein und lauschten. Wieder rumpelte es, ziemlich genau unter uns. Das musste Jan Hörnum sein.
    »Was macht der da unten?«, fragte Klaus ratlos. »Übt er auf deinem Trimmrad Reiter-Kunststücke?«
    »Zuzutrauen wäre es ihm«, sagte ich kauend. »Ich gehe gleich nachsehen.« Ich versuchte mir zu vergegenwärtigen, was für Möglichkeiten
     dieser unberechenbare Chaot in meinem Keller hatte. Es waren recht viele, denn dort befanden sich nicht nur die Gartengeräte,
     sondern auch Stephans Werkstatt mit allerhand Werkzeugen, die ich zwar nie benutzte, sondern höchstens gelegentlich an die
     männlichen Nachbarn auslieh. Aber bisher hatte ich es auch noch nicht übers Herz gebracht, sie wegzugeben.
    Romy schob den Rest ihres Brotes in den Mund. »So, jetzt geht es mir besser«, seufzte sie. »Vielleicht sollte er sich doch
     besser auf das Schauspielern konzentrieren als aufs Kochen.«
    »Das kann er ja gut«, sagte Ines. »Das ist schon ein seltsamer Vogel. Ist euch mal aufgefallen, dass er nie konkrete Fragen
     zu seiner Person beantwortet? Wo er wohnt, zum Beispiel? Vielleicht hat er gar keine Wohnung mehr und schnorrt sich immer
     bei seinen Fans durch.«
    Bei diesen Worten fühlte ich wieder die Verunsicherung von vorhin. Was, wenn Jan Hörnum wirklich einHochstapler war? Er hatte meinen Hausschlüssel und damit Zugang zu allem, was mir wichtig war.
    Während ich noch überlegte, wie ich

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