Umzug ins Glück
spielten so was öfter, und schon gewisse Ähnlichkeiten in der Vita wurden als Übereinstimmung gewertet.
»Zweiter Versuch: Ein Hochstapler oder Heiratsschwindler mit einem Vorstrafenregister von Klorollenlänge.«
»Auch falsch.« Sie sonnte sich schon in dem Bewusstsein der Überraschung, die sie mir gleich bereiten wollte. Aber ich hatte
auch noch einen Trumpf im Ärmel.
»Zum dritten: Das ist ein Schauspieler, der unter dem Künstlernamen Jan Hörnum auftritt.«
Doris atmete schwer. »Das hat dir der Teufel gesagt«, schimpfte sie. »Wenn du schon alles über den Kerl weißt, warum machst
du dann solche Rumpelstilzchen-Spiele mit mir?«
»Ich weiß nicht alles über ihn«, gestand ich. »Deswe gen hab ich dich ja gefragt. Ich wollte wissen, ob er es wirklich ist. Er wohnt im Moment bei mir, und immer wenn ich ihn ausfragen
will, macht er Ausflüchte.«
»Der wohnt bei dir?«, staunte Doris. »Hast du eine Pension eröffnet?«
Vielleicht eher ein Heim für heimatlose Streuner. Ich griff das Blatt, das sie für mich ausgedruckt hatte, und begann zu lesen,
was ihre Quellen über den Herrn Mäderle hergaben. Er war Jahrgang 1947 – so gesehen war es tapfer von ihm, dass er jetzt noch
mit dem Reiten anfangen wollte, um diese Rolle zu bekommen. Und was ich sonst noch so las, erforderte ebenfalls, mit einer
Portion Mut durchs Leben zu gehen. Ich musste meine Einstellung zu ihm wohl etwas revidieren.
Nach der Arbeit fuhr ich wieder ins Krankenhaus, Paula besuchen. »Schön, dass du kommst«, sagte sie. »Guck mal, wer schon
hier war!«
Sie deutete auf ihren Nachttisch. Dort – wie übrigens auch bei der violetthaarigen Bettnachbarin – prangte unübersehbar ein
Porträt von Jan Hörnum mit persönlicher Widmung. Ich besah es genauer und kam zu dem Schluss, dass das Foto vermutlich schon
zwanzig Jahre alt war und aus seiner Glanzzeit am Nordlicht-Theater stammte – seine Haare waren zwar ähnlich lang wie heute,
aber noch richtig dunkel, und auch sein Gesicht, ohne Brille, war eindeutig faltenfreier. Er trug eine Prinz-Heinrich-Mütze,verwegen schräg auf seinen Kopf gedrückt, und ein Ringel-Shirt, und eigentlich hätte noch ein Leuchtturm im Hintergrund zu
sehen sein müssen, wenn alles schon so laut ›Waterkant‹ schrie.
»Na, das ist ja nett, dass er dich noch mal besucht hat«, sagte ich.
»Ja, er meinte, das sei ja wohl das Mindeste, was er tun kann, wenn er dir schon so viel Mühe bereitet«, sagte Paula. Das
überraschte mich, weil er mir gegenüber noch nie etwas geäußert hatte, das im Entferntesten durchblicken ließ, dass er das
so sah. »Aber wir haben schon eine neue Lösung gefunden.«
»Lösung wofür?«, fragte ich misstrauisch. Ich stellte das Bild wieder gut sichtbar neben ihr Telefon.
»Wo er wohnen kann, bis das mit seinem Vertrag perfekt ist«, erklärte sie mir. »Weißt du, wenn er erst mal in Hammerscheid
bei der Freilichtbühne unterschrieben hat, dann stellen die ihm auch eine Wohnung. Und bis dahin zieht er in mein Haus.«
»In dein Haus?«, rief ich überrascht aus.
»Natürlich!«, sagte Paula. »Sieh mal, das ist doch für alle ein Vorteil. Du hast wieder deine Ruhe, er hat einen Platz zum
Wohnen, und ich hab jemanden, der im Haus nach dem Rechten sieht.«
So gesehen klang das ganz einleuchtend. Ich war mir nur nicht sicher, ob ich einem unzuverlässigen Chaoten wie Jan Hörnum
ein Haus überlassen würde, ohne wenigstens ab und zu überprüfen zu können, was er da tat. Und wenn es nur die Zubereitung
von Pannfisch war, dessen Spuren wohl noch unübersehbar in meiner Küche vorhanden waren.
»Und außerdem«, fügte sie hinzu, »ist es natürlich eine Ehre, wenn man einen berühmten Schauspieler mal bei sich beherbergen
kann.«
»Findest du?« Ich musste zugeben, dass Jan Hörnum für mich nicht in erster Linie ein berühmter Schauspieler war. Wenn ich
Robert Redford oder George Clooney an seine Stelle rückte, sah das schon etwas anders aus. Denen hätte ich sofort mein Haus
überlassen. Am liebsten mit mir drin.
Nach meinem Besuch fuhr ich direkt bei Tante Paulas Haus vorbei. Sie sagte, sie hätte Jan Hörnum ihren Schlüssel schon gegeben,
aber den Umzug wollte er erst morgen vornehmen, weil er heute noch einen Termin hatte. Deshalb wollte ich lieber noch mal
vorher nach dem Rechten sehen.
Das Haus war dunkel und kalt, weil ich die Heizung runtergedreht hatte. Und ohne Tante Paula darin war es irgendwie
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