Umzug ins Glück
hässlicher Zinngegenstände auf der Fensterbank. Jan Hörnum würde
dem nun noch einen maritimen Touch verleihen.
Immerhin war die Hälfte des Kleiderschranks leer, sodassein Besucher seine Sachen dort unterbringen konnte. Das Bett war bezogen. Mehr konnte man nicht tun.
Ich fuhr nach Hause und fand das Haus erleuchtet, den Mercedes vor der Einfahrt und Jan Hörnum vor dem Fernseher. Gerade lief
ein alter Winnetou-Film mit Pierre Brice und Lex Barker, den er offensichtlich sehr intensiv studierte – Vorbereitung auf
seine Rolle auf der Freilicht-Bühne.
In der Küche hatte sich nichts verändert. Seufzend ließ ich Wasser in den Heißwasserbereiter laufen, um mein Goldrandgeschirr
zu spülen. Die Auflaufform mit dem Pannfisch war für den Kühlschrank zu groß, deshalb stand sie abgedeckt neben dem Herd.
Ich wollte sie schon nehmen und den Inhalt wegschmeißen, entschied mich aber dann doch noch, sie erst mal Jan Hörnum zu zeigen.
»Essen Sie das noch?«
»Natürlich!«, teilte er mir mit. »Ich mach mir gleich was warm.«
»Und dann entsorgen Sie bitte den Rest«, sagte ich. »Ich mag keinen aufgewärmten Fisch.«
»Natürlich!« Er starrte intensiv auf den Bildschirm, wo Lex Barker gerade besonders heldenhaft aussah. Eine Indianerin mit
beinahe zwanghaft ordentlichen Zöpfen sah ihn hingebungsvoll an. Ich wandte mich ab, um mir ein Brot zu machen.
Salamibrot kauend guckte ich mit ihm den Film zu Ende. Offensichtlich nahm er diese Rollenstudien sehr ernst, denn ich konnte
ihn verstohlen dabei beobachten, wie er Lex Barkers spärliches Mienenspiel nachahmte. Auch kleidungstechnisch hatte er sich
schon zu Kara Ben Nemsi passend eingestellt – er trug heute weder den cremefarbenen Anzug noch das Friesenhemd, sondern eine
cognacbraune Lederjacke über einer kragenlosen Leinentunika. Wenn er noch ein Palästinensertuch dazukombiniert hätte, wäre ich auch nicht verwundert gewesen.
Mit einem Seufzer nahm er die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. »Das waren noch Zeiten«, sagte er. »Solche Filme
macht heute keiner mehr.«
Ich erinnerte mich an seine Karriere und dass er ja auch schon vor der Kamera gestanden hatte. »Wann haben Sie Ihren letzten
Film gedreht?«
»Vor acht Jahren«, sagte er wie aus der Pistole geschossen. »Das war ›Rettungskreuzer Balthasar‹. Ich habe den Kapitän Peddersen
gespielt, der nach einem Fährunglück bei Windstärke zehn die Passagiere vor dem Ertrinken rettet.« Er strich sich durch die
wallende Mähne. »Tja, danach hat leider der Produzent alle Projekte an seinen Sohn übergeben, und mit dem kam ich überhaupt
nicht zurecht. Der wollte plötzlich alles anders haben, mehr so in Richtung Problem ohne Happy End, das wäre beim Publikum
doch sofort durchgefallen. Das hätte meinem Image geschadet, und so hab ich mich dann wieder mehr aufs Theaterspielen verlegt.«
Sein Gesicht leuchtete auf, als er sagte: »Allein mit dem Stück ›Köm zum Frühstück‹ haben wir mehr als dreihundert Vorstellungen
gegeben. Das war eine Traumrolle für Svantje, sie hat diese Kioskbetreiberin so toll angelegt – das Publikum hat immer getobt.
Dreihundert Vorstellungen lang.« Er sackte wieder in sich zusammen. »Und dann konnte sie irgendwann ihre Garderobe nicht mehr
finden. Das war der Anfang vom Ende. So eine Schande. Eine Künstlerin, die ihre Rollen immer bis aufs i-Tüpfelchen beherrscht
hat, kennt irgendwann die Namen ihrer besten Freunde nicht mehr.«
Ich nickte etwas mitleidig. Das war nicht der einzige Schicksalsschlag, den er hatte wegstecken müssen. »Und dann wurde Ihre
Frau krank?«
Er zuckte regelrecht zusammen. »Das wissen Sie? Ich habe immer versucht, mein Privatleben zu schützen. Ich hätte eine Menge
Geld mit diesen Homestorys für die bunten Blätter verdienen können, aber meine Frau wollte das nicht. Sie wollte immer noch
unerkannt zum Metzger gehen können.«
Er stand etwas steifbeinig auf und ging in die Küche. Nach einer Weile hörte ich die Mikrowelle klingeln, dann kam er mit
einem Teller Pannfisch zurück. Er schien das Zeug wirklich zu mögen. Schauspieler sind merkwürdige Menschen.
»Ich habe in meiner Firma Erkundigungen über Sie einholen lassen«, sagte ich ihm. »Ich weiß gern, mit wem ich es zu tun habe.
Vor allem, wenn er in meinem Haus wohnt. Oder in dem meiner Tante.«
Jan Hörnum schaufelte sich eine Gabel voll in den Mund und nickte. »Und was haben Ihre Schnüffler
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