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Umzug ins Glück

Umzug ins Glück

Titel: Umzug ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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rausgekriegt?«
    »Dass Sie schon lange einen Hof in der Nähe von Stade haben. Vor drei Jahren haben Sie das Theater aufgegeben, um ihre Frau
     zu pflegen. Vor vier Monaten ist sie dann gestorben. Und nun versuchen Sie ein Comeback.«
    Schweigend aß er weiter. Auch wenn er so ein selbstherrlicher Idiot sein konnte, jetzt tat er mir leid. Ich konnte mir vorstellen,
     dass es ihm auch darum ging, ein Stück Abstand zu gewinnen zu dem Ort, wo seine Frau gestorben war. Deshalb schreckte er noch
     nicht mal davor zurück, in seinem Alter noch auf ein Pferd zu steigen und einen Sommer lang vor johlenden Schulklassen über
     eine Freilichtbühne zu galoppieren.
    Schließlich stellte er den leer gekratzten Teller auf den Couchtisch. »Eigentlich hätte ich bei dem Professor wohnen können,
     der meine Frau behandelt hat. Der ist nämlich jetzt hier in Bredenscheid an der Klinik. Aberder hat gerade seine Frau verlassen. Da ging das nicht. Ich brauche die Unterkunft bei Ihrer Tante nur, bis mein Vertrag unterschrieben
     ist.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Dafür waren Sie heute doch bei der Festspielleitung, oder?«
    »Die wollten, dass ich ihnen vorspreche«, sagte er erbost. »Stellen Sie sich das vor! Nach fünfundvierzig Jahren auf der Bühne
     muss ich denen noch beweisen, dass ich eine solche Rolle spielen kann!«
    »Und? Haben Sie sie überzeugt?«
    »Das will ich ja wohl hoffen«, sagte er. »Aber dann kommen sie mit so einem Gefasel daher, dass sie sich noch nicht sicher
     sind, wie genau sie die Rolle anlegen möchten, und dass es noch ein paar Tage dauert, bis das Regiekonzept steht, und so lange
     wollen sie sich alle Optionen offenhalten.« Jetzt sah er etwas ärgerlich aus. »So ein Gewäsch! Das hätte es früher nicht gegeben,
     da wusste ein Regisseur, was er wollte, sonst war er gleich weg vom Fenster.« Er griff nach der Fernsehzeitung und warf sie
     wieder auf den Tisch, sodass sie ein Stück weit in meine Richtung schlitterte. Auf dem Titel grinste mir ein modisch gestyltes
     Pärchen entgegen: er mit viel Haargel und einer lavendelfarbenen Lederjacke, sie in einer Art Unterrock, der nicht mehr viel
     der Fantasie überließ. Die Unterschrift besagte, dass es sich um Sina Solea und Holger Helmut Kasprowiak handelte. Ich wusste
     nicht, was sie zeitschriftentitelwürdig gemacht hatte. Vielleicht eine der vielen Soaps im Vorabendprogramm? Ich war wohl
     inzwischen zu alt für so was. Eine bittere Erkenntnis für jemanden, der sich in mancher Hinsicht immer noch so unsicher fühlt
     wie eine Konfirmandin.
    »Und das hätte es früher auch nicht gegeben!«, schimpfte Jan Hörnum weiter. »Holger Helmut Kasprowiak! Mit dem Namen wär der
     beim Nordlicht-Theaternoch nicht mal durch die Tür gekommen! Ein passender Künstlername ist das A und O, hieß es da.«
    Das leuchtete mir ein. Ein Günter Mäderle hätte vielleicht auf eine Stuttgarter Volksbühne gepasst, aber in Reeperbahn-Nähe
     klang der Name etwas deplatziert. »War denn Svantje van Wiek auch nicht ihr richtiger Name?«
    »Nur so halb«, erklärte er. »Sie heißt Edelgard Wieck, aber sie hat ihren Vornamen noch nie gemocht. Und auch jetzt hört sie
     nur auf Svantje.« Er biss sich auf die Lippen. »Wenn überhaupt.«
    Ich hatte den Eindruck, als ob es hinter den Brillengläsern etwas feucht wurde. Beinahe erwog ich schon, ihn tröstend in den
     Arm zu nehmen, aber dann nahm ich doch davon Abstand.
    Jan Hörnum nahm auch Abstand. Er griff seinen Teller und stand auf. »So, ich packe schon mal meine Sachen zusammen. Morgen
     früh bin ich weg.«
    Sachen packen? Das klang, als wohnte er schon wochenlang hier. Erst als ich meinen eigenen Teller in die Küche bringen wollte,
     fiel mir auf, dass er sich auf diese Weise schon wieder vorm Spülen gedrückt hatte.

5
    Am nächsten Morgen verabschiedete er sich mit einem Autogramm, das ich etwas verblüfft entgegennahm. Mir war eigentlich wichtiger,
     dass es mit der Regulierung des Schadensfalls voranging, und das sagte ich ihm auch.
    Das hörte er gar nicht gern. »Ich habe gar keine Nummer von meiner Versicherung, die sind oben in Buxtehude.«
    »Dafür gibt es Telefonbücher.«
    »Sie haben ein Telefonbuch von Buxtehude?«, fragte er ironisch. »Alle Achtung, das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.«
    Ich funkelte ihn böse an. So früh am Morgen war ich noch nicht zu Scherzen aufgelegt, und wenn es um mein Auto ging, schon
     gar nicht. Ich hatte gestern Doris ein Stück mitgenommen, und dabei

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