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Umzug ins Glück

Umzug ins Glück

Titel: Umzug ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ihm die Luft ausging   …
    »Ja, das stimmt schon. Und so ein spontaner Typ bist du nicht, oder?«
    Ich stieg halbwegs versöhnt aus seinem Wagen. »Dan ke fürs Mitnehmen.«
    »Wann kriegst du denn dein Auto wieder?«
    »Sie haben gesagt, es ist morgen Abend fertig.«
    »Wenn du zwischenzeitlich einen Chauffeur brauchst, sag Bescheid.« Er winkte mir noch mal lässig zu und glitt mit seinem französischen
     Rollsofa davon.
    Ich ging ins Haus – es war inzwischen zu dunkel, um noch mal in den Garten zu gehen – und versuchte einen Plan zu fassen.
     Auf jeden Fall musste ich Magnus anrufen und mit ihm über Tante Paulas Vorschlag sprechen. Aber zuerst ging ich in die Küche
     und öffnete den Kühlschrank. Ich hatte mir im Krankenhauscafé den Kuchen versagt, den Paula sich gegönnt hatte, und jetzt
     schrie mein kurzatmiger Körper geradezu nach Kalorien.
    Da gab es zum einen die Möglichkeit, sich das klassische Brot zu schmieren. Nicht originell, aber mit langer Tradition. Ich
     hatte jedenfalls bessere Zutaten als Tante Paula auf ihrem Krankenhaustablett. Ich könnte mir natürlich auch etwas Warmes
     machen – ein Spiegelei zum Beispiel mit dem Rest Kartoffeln von gestern. Undziemlich hinten im Kühlschrank befand sich noch eine größere Einfrierdose, deren Inhalt ich mir nicht sofort erklären konnte.
    Ich zog sie hervor, machte sie auf – und fiel beinahe um. Jan Hörnum hatte tatsächlich gegen unsere Absprache den Rest des
     Pannfisches nicht weggeworfen, sondern in diese Dose gefüllt. Das war immerhin einige Tage her, und inzwischen hatte der vorherrschende
     Akzent von Fisch und Zwiebeln – die Kopfnote, würde der Parfümeur sagen – eine Qualität erreicht, die ihresgleichen suchte.
     Ich machte die Dose gar nicht erst wieder zu, sondern trug sie direkt mit angehaltenem Atem nach draußen, um sie über dem
     Kompost zu entleeren, und besonders sensible Gemüter sollten jetzt nicht versuchen, sich die schleimige Konsistenz vorzustellen,
     in der diese Masse ihren Behälter widerstrebend verließ. Ich spülte Dose und Deckel am Außenwasseranschluss ab und ließ sie
     vor der Küchentür stehen in der Hoffnung, dass sich der erbärmliche Gestank bis morgen etwas verflüchtigt hätte und keine
     hungrigen Grizzlybären anlockte.
    Immerhin hatte die Sache einen nützlichen Effekt, denn ich hatte zunächst mal keinen Hunger mehr. Vielleicht sollte ich die
     Dose noch behalten und jedes Mal daran schnüffeln, wenn ich Hunger verspürte? Vielleicht würde das Phänomen als ›Pannfisch-Anorexie‹
     in die Medizingeschichte eingehen?
    Eigentlich war mir aber Nicks Methode sympathischer. Ich suchte Magnus’ alten Rucksack im Schrank unter der Treppe, wo ich
     ihn auch unter solchem Gerümpel wie Rollschuhen in Größe sechsunddreißig und einzelnen Bestandteilen seines Chemiebaukastens
     wiederentdeckte. Jetzt ging es darum, etwas zu finden, das fünfzehn Kilo wog. Das war nämlich ungefähr das Gewicht, auf das
     ich gerne verzichten würde. Ich schaffte es schließlich mitHilfe von mehreren Konservendosen, einem Lexikon und zwei Wasserflaschen, den Rucksack nach Aussage meiner Badezimmerwaage
     auf das gewünschte Gewicht zu bringen, sodass er gerade noch zu ging.
    Ich hievte mir den Rucksack auf den Rücken und ging die Treppe runter. Die Gurte waren falsch eingestellt und schnitten mir
     in die Schultern, während sich mir eine Ecke des Lexikons schmerzhaft in den Rücken bohrte. Aber das Ziel war ja auch nicht,
     wie Hape Kerkeling damit den Jakobsweg zu erwandern, sondern sich bewusst zu machen, wie schwer fünfzehn Kilo sind. Die Vorstellung,
     dass diese zusätzlichen Kilos meine Gelenke belasteten und von meinem Herzen spürbare Mehrarbeit verlangten, war schon recht
     eindrücklich.
    Noch einmal zwang ich mich, die Treppe rauf- und wieder runterzugehen, dann stellte ich den Rucksack in die Küche – dorthin,
     wo auch Magnus ihn immer abgestellt hatte, wenn er nach Hause kam – und belohnte mich damit, dass ich meinen Sohn anrief.
    Er wunderte sich natürlich, dass ich das tat, ohne dass es der übliche Sonntag war (da telefoniere ich kostenlos) oder dass
     er um Rückruf gebeten hatte. »Ist was, Mama?«
    »Wie man’s nimmt.« Ich berichtete ihm von Tante Paulas Ansinnen.
    Er hörte es sich gelassen an. »Klingt ganz plausibel. Und wo ist das Problem?«
    »Na hör mal, ich müsste unser Haus verkaufen. Das Haus, in dem du aufgewachsen bist, das ich mit Papa zusammen eingerichtet
     habe  

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