Umzug ins Glück
eine kompetente Art zu
küssen hatte, dass man sich bei seinen Zärtlichkeiten nicht unsicher fühlen oder Angst haben musste, es würde jetzt peinlich.
Aber das war alles ziemlich oberflächlich gewesen. Jetzt dagegen spielte sich die Handlung tief in mir drin ab, dort, wo sich
die echte Mia befand, die immer noch was vom Leben haben wollte, statt sich in die Badewanne zu legen und den Rest ihrer Zeit
mit guten Büchern zu verbringen. Die Mia, die noch einmal ein Risiko einzugehen bereit war, die ihre gutbürgerlichen Kiefernmöbel
gegen Blümchentassen eintauschen wollte, der es wichtiger war, noch einmal ein Abenteuer zu erleben als die nächsten vierzig
Jahre die Ordenssammlung ihres verstorbenen Mannes unangetastet im Schrank liegen zu haben.
Und dass man auch mit einem Mann wie Nick Abenteuer erleben konnte, war mir plötzlich klar. Wenn sonst nichts dafür sprach
– ich hatte immerhin das Bild in seinem Schlafzimmer gesehen.
Ich schleuderte meine Hausschuhe von den Füßen. In meinem Schlafzimmer tauschte ich die bequeme Hose und das Kuschelsweatshirt
gegen eine Jeans und meinen schönsten und einzigen Kaschmirpulli aus. Ich legte noch einmal Lippenstift auf und tuschte mir
die Wimpern, steckte mir meine Perlenohrringe an, und dann war ich so weit.
Es war höchste Zeit, etwas zu unternehmen. Ich stieg in den Omega und schnallte mich an, steckte den Schlüssel ins Zündschloss
und … hörte ein unerfreuliches Würgen. O nein. Offensichtlich hatte ich die Beifahrertür nicht richtig zugemacht, als ich Paula
aus dem Auto half, und deshalb hatte die Innenbeleuchtung die ganze Zeit gebrannt. Das nahm der Omega übel, er war ja nicht
mehr der Jüngste und seine Batterie auch nicht.
Ich knallte die Beifahrertür richtig fest zu – seit der Feindberührung mit Jan Hörnums Benz ging sie etwas schwer, auch nach
der Reparatur – und versuchte es erneut. So ganz leer war die Batterie noch nicht, vielleicht würde es noch klappen … Fehlanzeige. »Scheiße!«, rief ich voller Frust, genau wie ein mir nahestehender Mann es heute schon getan hatte, und schlug
auf das Lenkrad. Die Hupe ertönte laut. Ihr hatte das Licht nicht zu schaffen gemacht.
Daraufhin erschien Klaus. »Hast du ein Problem?«, fragte er besorgt.
Ich kurbelte mein Fenster runter, um es ihm zu erklären, und machte einen weiteren Startversuch, und er lauschte bedenklich
dem mühsamen Orgeln. »Ist wohl etwas schwach auf der Brust, was?«, sagte er. Vermutlich sprach er so auch von seinen Kunden,
denen er Medikamente gegen Bronchialkatarrh verkaufte. »Pass auf, ich sehe mal nach, ob ich das Starthilfekabel finde.«
»Das wäre nett«, ächzte ich verzweifelt. Noch nie, war mein subjektiver Eindruck, hatte ich das Auto so dringend gebraucht
wie jetzt, und da ließ es mich im Stich. Ich sah zu, wie Klaus seine Garage öffnete. »Hör zu«, sagte ich drohend zu dem Omega.
»Entweder du springst jetzt an oder ich rufe direkt am Montagmorgen beim Peugeothändler an und bestelle einen kleinen roten
Flitzer mit elektrischem Dach, und du kommst auf den Schrott.«
Der Omega sagte nichts. Vermutlich konzentrierte er die Reste seiner Energie auf den Moment, wo ich es noch ein letztes Mal
versuchen würde. Ich konzentrierte mich auch. Ich versuchte mich zu erinnern, was Lea mir neulich über das Bündeln der verborgenen
Energien erzählt hatte. So genau wusste ich es nicht mehr, aber ich konnte nicht warten, bis Klaus sämtliche seiner Garagenfächer
auf der Suche nach seinem Starthilfekabel durchwühlt hatte. »So«, befahl ich und drehte den Zündschlüssel.
Der Omega hatte mich ernst genommen. Er schnarrte und würgte, und dann sprang der Motor an. Ich trat auf das Gas, um ihn bloß
nicht wieder ausgehen zu lassen, und dann lief er ganz rund. »Gut gemacht«, sagte ich zu dem Omega wie zu mir selber.
Klaus kam zurück, mit einem Kabelwust im Arm. »Grad hab ich’s gefunden«, sagte er. »Aber jetzt brauchst du’s ja nicht mehr.
Wo willst du denn hin? Kurze Strecke oder weiter weg?«
»Keine Sorge«, sagte ich. »Ich fahr erst mal ein Stück, damit er sich aufladen kann.« Das war zwar eine Geduldsprobe, aber
es musste sein. Ich fuhr auf die Autobahn und zwang mich, erst bei der zweiten Abfahrt auf die Gegenrichtung zu wechseln.
Aber es war auch ein Test für mich. Wenn ich noch vor der Ausfahrt Bredenscheid wieder Zweifel hatte, dann …
Hatte ich aber nicht. Im Gegenteil. Ich fuhr fast
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