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Umzug ins Glück

Umzug ins Glück

Titel: Umzug ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wie auf Autopilot zu Nicks Haus. Sein Wagen stand auf dem Parkplatz. In
     der ersten Etage brannte Licht im Küchenfenster. Trotzdem musste ich mehrmals klingeln, bevor er reagierte. »Wer ist da?«,
     fragte er durch die Gegensprechanlage. Es klang abweisend. Als Zeuge Jehovas hätte ich jedenfalls nicht weiter gedrängt.
    »Mia. Lässt du mich rein?«
    Der Summer ertönte, und die Haustür sprang auf. Ichstieg die Treppe hoch zu seiner Wohnung. Er stand in der Tür, in Jeans und einem anderen T-Shirt als heute morgen, und wirkte immer noch nicht sehr einladend.
    »Mia, was führt dich her?«
    Was für eine blöde Frage. »Ich sammle für die Gesellschaft zum Schutz der Gartenbänke«, sagte ich und ging an ihm vorbei in
     den Flur.
    Er sah verlegen beiseite und machte die Wohnungstür zu. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie peinlich mir das ist«, murmelte
     er. »Glaub mir, so was passiert mir nicht oft.«
    »Ich bin nicht gekommen, um dir Vorwürfe zu machen«, sagte ich.
    »Sondern?«
    Was sollte ich dazu sagen? Am besten ließ ich Taten sprechen. Ich ging auf ihn zu, legte meine Arme um seinen Hals und küsste
     ihn. Ich musste ein wenig Geduld aufbringen, bis er bereit war mitzumachen, aber danach gab es kein Halten mehr. Er schlang
     seine Arme um mich und drängte mich gegen die Wand in dem Versuch, mich so nah wie möglich an sich zu pressen.
    Es war ein großartiger Kuss, nicht so handwerklich geschickt und schrittweise aufgebaut wie die von letztem Sonntag, dafür
     aber viel temperamentvoller, viel dramatischer und mit viel mehr Emotionen. Völlig verausgabt lösten wir uns schließlich voneinander,
     um Luft zu schnappen, und sahen uns an.
    »Womit habe ich das verdient?«, keuchte Nick.
    »Das hat mit Verdienen nichts zu tun«, erwiderte ich und strich ihm liebevoll über das Gesicht.
    »Sondern?«, fragte er wieder.
    »Damit, dass ich es will«, sagte ich. Das war der beste Grund von allen.
    »Das kommt ganz schön überraschend«, gestand er.»Ich hatte schon Angst, du wärst gekommen, um mir zu sagen, dass du das jetzt doch nicht machst. Mit Paulas Haus und so.«
    Ich sah in seine Augen – leicht gerötet, sieh mal einer an – und las ganz viel von dieser Unsicherheit darin. Mir wurde bewusst,
     dass ich vierzig Jahre lang gedacht hatte, sie würden mich nur mit Ironie, Distanz oder hämischer Schadenfreude anschauen,
     und in den letzten Tagen hatte ich so viel mehr darin entdeckt: Begeisterung, Zorn, Verletztheit und auch Liebe. Eine ganze
     Palette voller Gefühle, die es die Sache wert machten, sich mit diesem Mann einzulassen.
    »Doch, das will ich immer noch«, sagte ich. »Ich will auch immer noch meine eigene Küche haben. Und mein eigenes Schlafzimmer.
     Aber vielleicht   … können wir uns ab und zu gegenseitig   … besuchen?« Ich war nicht ganz zufrieden damit, wie ich es formuliert hatte, aber nun war es raus. Jüngere Menschen gehen
     vermutlich lockerer mit so was um, cooler, selbstverständlicher. Für sie ist es vielleicht ganz alltäglich, jemanden in ihr
     Bett einzuladen, es einfach mal darauf ankommen zu lassen, was daraus wird. Aber so war ich nicht. So gesehen war ich eher
     ein Relikt aus der Steinzeit. Ich hatte nie einen Joint geraucht. Ich war nie allein durch Europa getrampt. Und meine sexuellen
     Erfahrungen begrenzten sich auf einen großen Fehler namens Dietmar, als ich siebzehn war, und dann war Stephan gekommen. Ich
     hätte einer Frauenzeitschrift nichts zu erzählen. Genau genommen war ich hundert Jahre zu spät dran.
    Nick lachte und küsste mich auf die Nase. »Ach, Mia«, sagte er. »Bin ich froh, dass du gekommen bist. Ich habe auch schon
     darüber nachgedacht, aber ich habe mich noch nicht mal getraut, dich anzurufen.«
    Nicht getraut? Nick? Ich musste auch lachen. »Dakannst du mal sehen. Frauen sind doch die wahren Helden des Alltags.«
    »Zum Glück«, sagte er und legte mir den Arm um die Schulter. Wir setzten uns in Richtung Küche in Bewegung. »Ich hatte so
     ein schlechtes Gewissen, weil ich einfach abgehauen bin. Ich habe mich noch nicht mal mehr um Paula gekümmert.«
    »Ich habe sie zum Silvretta gebracht«, sagte ich. »Sie hat sich zwar gewundert, wo du warst, aber ich habe ihr gesagt, du
     hättest dringend weggemusst. In deinem Zustand hättest du sie sowieso nur beunruhigt, und das willst du doch nicht.«
    »Das will ich nicht«, stimmte er zu. »Im Gegenteil. Ich überlege die ganze Zeit, wie ich diesem Kerl die Tasche wieder abnehmen
    

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