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Unbefugtes Betreten

Unbefugtes Betreten

Titel: Unbefugtes Betreten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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umfasst. Vor einem dieser Gebäude sitzt eine Frau. Bei ihrem Anblick gibt der Mann, wie er später schreiben wird, »umgehend Befehl, das Boot auslaufen zu lassen, da ich an Land zu gehen wünschte.«
    Anita Riberas war achtzehn Jahre alt, ein Mischling portugiesischer und indianischer Abstammung mit dunklem Haar, großen Brüsten, einer »männlichen Haltung und entschlossenen Miene«. Sie muss den Namen des Guerilleros gekannt haben, da er zur Befreiung ihrer Heimatstadt beigetragen hatte. Doch seine Suche nach der jungen Frau und ihrem Haus blieb vergeblich, bis er durch Zufall einen ihm bekannten Ladenbesitzer traf, der ihn auf einen Kaffee hereinbat. Und dort, als habe sie auf ihn gewartet, war sie.»Wir standen beide verzückt und stumm, starrten einander an wie zwei Menschen, die sich nicht zum ersten Mal begegnen und im Gesicht des anderen nach etwas suchen, was die Erinnerung an die vergessene Vergangenheit erleichtern kann.« So drückt er es, viele Jahre später, in seiner Autobiografie aus, in der er auch einen weiteren Grund für das verzückte Schweigen nennt: Er sprach sehr wenig Portugiesisch und sie kein Italienisch. Darum begrüßte er sie schließlich in seiner eigenen Sprache: » Tu devi esser mia « – Du musst die Meine sein. Seine Worte gingen über das Problem unmittelbarer Verständigung hinaus: »Ich hatte ein Band geknüpft, ein Urteil verkündet, das allein der Tod aufheben kann.«
    Gibt es eine romantischere Begegnung als diese? Und da Garibaldi einer der letzten romantischen Helden der europäischen Geschichte war, wollen wir uns nicht bei nebensächlichen Details aufhalten. Zum Beispiel muss er leidlich portugiesisch gesprochen haben, schließlich hatte er jahrelang in Brasilien gekämpft; zum Beispiel war Anita trotz ihres jugendlichen Alters keine scheue Jungfer, sondern eine bereits seit mehreren Jahren mit einem einheimischen Schuster verheiratete Frau. Wir wollen auch über das Herz eines Ehemanns und die Ehre einer Familie hinwegsehen und uns nicht weiter fragen, ob Gewalt angewendet wurde oder Geld die Hände wechselte, als Garibaldi einige Abende später an Land kam und Anita mit sich nahm. Stattdessen wollen wir uns einfach darauf einigen, dass dies dem innigen und unmittelbaren Verlangen beider Parteien entsprach, und dass, wo eine eher annähernde Gerichtsbarkeit waltet, Besitz gewöhnlich Recht schafft.
    Sie heirateten drei Jahre später in Montevideo, nachdem sie gehört hatten, der Schuster sei vermutlich tot. Dem Historiker G. M. Trevelyan zufolge verbrachten sie »ihre Flitterwochenmit amphibischer Kriegsführung an der Küste und in der Lagune, wo sie aus nächster Nähe gegen einen übermächtigen Feind kämpften«. Zehn Jahre lang war sie, die ebenso gut zu Pferde und ebenso tapfer war wie er, ihm Kampf- und Ehegefährtin; für seine Truppen fungierte sie als Glücksbringerin, Anspornerin und Krankenschwester. Die Geburt von vier Kindern tat ihrer Hingabe an die Sache der Republikaner, erst in Brasilien, dann in Uruguay und schließlich in Europa, keinen Abbruch. An Garibaldis Seite kämpfte sie für die Römische Republik und schlug sich, als diese besiegt war, mit ihm über den Kirchenstaat an die Adriaküste durch. Während der Flucht erkrankte sie auf Leben und Tod. Garibaldi blieb, trotz dringender Bitten, seine Flucht allein fortzusetzen, bei seiner Frau; gemeinsam entgingen sie den österreichischen Weißröcken in den Sümpfen um Ravenna. An ihren letzten Tagen hielt Anita unbeirrt an »der undogmatischen Religion ihres Mannes« fest, was Trevelyan zu einem gewaltigen romantischen Tusch bewegt: »Sie starb an Garibaldis Brust und brauchte darum keinen Priester.«
    Vor einigen Jahren kam ich auf einer Buchhändlerkonferenz in Glasgow mit zwei Australierinnen ins Gespräch, einer Schriftstellerin und einer Köchin. Genauer gesagt, ich hörte ihrem Gespräch zu, denn sie erörterten die Wirkung verschiedener Nahrungsmittel auf den Geschmack des männlichen Spermas. »Zimt«, sagte die Schriftstellerin sachkundig. »Nein, nicht nur«, erwiderte die Köchin. »Man braucht Erdbeeren, Brombeeren und Zimt, das ist das Beste.« Dann sagte sie noch, einen Fleischesser könne sie immer erkennen. »Glaub mir, ich kenne mich da aus. Ich habe einmal eine Blindverkostung gemacht.« Unschlüssig,ob ich etwas dazu beitragen sollte, erwähnte ich Spargel. »Ja«, sagte die Köchin. »Der zeigt sich im Urin, aber er zeigt sich auch im Ejakulat.« Wenn ich diesen

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