Unberuehrbar
Stimme allerdings war nun ruhig – und entschlossen. »Das werde ich.« Sie räusperte sich und sah zu dem Menschen hinüber, der immer noch bewegungslos an der Wohnungstür stand. »Eloy kann uns fliegen – wohin auch immer. Er hat Zugang zu einem Privatflugzeug.«
Cedric verengte kritisch die Augen, und auch Frei musterte Eloy überrascht. Sie hatte schon mehrmals gedacht, dass dieser Mensch wahrscheinlich sehr hilfreich sein konnte, wenn man draußen unterwegs war. Aber dass er so hilfreich sein würde, damit hatte sie nun doch nicht gerechnet.
Cedric ließ den Blick von Hannah zu Eloy und wieder zurück wandern. Dann nickte er knapp.
»Du wirst dieses Menschenmädchen allerdings nicht mitnehmen können.« Er warf einen kurzen Blick auf das Bündel in Hannahs Armen. Seine Miene war nun streng. »Und ich werde sie auch nicht heilen, wenn es das ist, was du hoffst.«
Frei wusste, was es bedeutete, wenn er in diesem Tonfall sprach: Widerspruch zwecklos. Hannah allerdings, die Cedric weniger gut kannte, schien das nicht so klar zu sein. Sie presste die Lippen zusammen.
»Es war
dein
Wächter, der sie verstümmelt hat.«
Cedric hob eine Braue. »Und es war sie selbst, die unerlaubt in meine Forschungsstation eingedrungen ist.«
Hannah holte tief Luft und kämpfte ganz offensichtlich gegen eine wütende Erwiderung. Es dauerte mehrere Sekunden, bis sie sich wieder zum Sprechen durchringen konnte. Frei konnte nur zu gut nachvollziehen, wie sie sich fühlen musste. Sie hatte solche Diskussionen zu oft selbst mit Cedric geführt.
Aber schließlich gab Hannah nach.
»Ich bringe sie zur OASIS, bevor wir aufbrechen«, murmeltesie. Ihre Miene war finster. »Vielleicht kümmern sie sich dort um sie.«
Cedric nickte langsam, und Frei fiel ein, dass sie längst hatte fragen wollen, was eine OASIS war. Ob sie wirklich danach roch – und ob das etwas mit Red zu tun hatte.
Cedric legte ihr die Hand auf den Oberarm. »Keine Sorge. Wir werden auf der Reise viel Zeit zum Reden haben.«
Frei zuckte ein wenig zusammen. Richtig. Cedric würde wissen, was zu tun war.
Cedric sah von einem zum anderen. Dann wies er auf die grünen Sofas zwischen den Bücherregalen. »Also dann. Ich schlage vor, wir setzen uns erst einmal.« Sein Blick blieb an Frei hängen, und er musterte sie ernst. »Und dann werden wir sehen, was Kris uns hinterlassen hat – und wie wir damit arbeiten können.«
Frei antwortete nichts darauf. Ihre Kehle war vor Nervosität plötzlich wie zugeschnürt. Doch Cedric verstand die unausgesprochene Frage in ihren Augen auch so.
»Wir handeln so schnell wie möglich. Sobald die Sonne aufgegangen ist, brechen wir auf.« Ganz kurz nur legte er Frei eine Hand auf den zerwühlten Haarschopf. »Diesmal finden wir sie. Das verspreche ich dir.«
Kapitel Sechzehn
Auf dem Marktplatz von Kinlochliath, Schottland
Red verengte die Augen und sah durch den strömenden Regen zu der mit Sägespänen ausgestopften Vogelscheuche hinüber, die am anderen Ende des Dorfplatzes aufgerichtet war. In seinem Rücken spürte er die Blicke der Dörfler, die sich mit Gewehren und Pistolen bewaffnet am Rand des Platzes aufgereiht hatten. Die Nachricht von Reds Anwesenheit im Dorf – und von dem bevorstehenden Spektakel – hatte sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen, und nun waren Hunderte von ihnen gekommen, um bei seiner Demonstration zuzusehen. Der Revolver lag vertraut in Reds Hand. Doch die Hand zitterte.
Er konnte noch immer nicht glauben, dass er hier wirklich stand. Dass er wirklich auf diese ausgepolsterte Vogelscheuche schießen wollte, um den Bewohnern von Kinlochliath zu zeigen, wie man Vampire außer Gefecht setzte. Nicht, dass er wirklich glaubte, Erfolg damit zu haben, indem er sie auf ein unbewegtes Ziel schießen ließ. Ganz abgesehen davon, dass gewöhnliche Munition Chase oder erst recht Kris allerhöchstens juckte. Red war sich recht sicher, dass er den Dörflern kaum würde weiterhelfen können – vor allem nicht, ehe die beiden Vampire von allein auf den Gedanken kamen, weiterzuziehen. Sie brauchten Blut, Blut, das sie hier nicht bekommen konnten. Also würden sie fortgehen und Red zurücklassen. Endgültig.
Red machte sich nichts vor. Es war noch viel schwerer, sich von Kris zu trennen, als er befürchtet hatte, auch wenn erwegen seines Verhaltens am Strand noch immer wütend auf ihn war. Tief in seinem Inneren wusste er es besser. Deswegen tat es auch so weh, dass er sie jetzt verriet. Denn genau das tat
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