Unberuehrbar
dir.«
Frei nickte, nur eine winzige Bewegung. Aber die Unsicherheit verschwand nicht aus ihren Augen.
Noch einmal sah Cedric sich zu Red um und winkte ihm, näher heranzutreten. Doch erst, als auch Kris ihm ermutigend zulächelte, durchquerte er mit zögernden Schritten den Raum. Schweigend kniete er sich neben Kris, der seinen Griff um Freis Schultern löste und ein Stück von ihr abrückte.
Sehr langsam, fast ängstlich streckte Red den Arm aus. Und auch Frei verharrte mehrere Sekunden wie ein verschrecktes Tier, ehe sie sich vorsichtig gegen Reds Schulter sinken ließ. Als sie sich berührten, zuckten sie beide kurz zusammen. Dann aber legte Red seinen Arm fest um Freis Schultern. Seine Miene war verbissen, aber entschlossen.
Diesmal gelang Cedric das Lächeln, auch wenn es nur schmal war. Er nickte Kris zu und stand auf.
»Wir sind bald zurück«, wiederholte er noch einmal lauter. »Hoffen wir, dass bis dahin alles ruhig bleibt.«
Ein letztes Mal warf er einen Blick in die Runde, sah jeden einzelnen noch einmal eindringlich an. Dann ging er zur Tür, um den Fahrstuhl zu rufen.
Kapitel Drei
46 West Street, Kenneth, Missouri
Eine knappe Minute später standen Cedric und Kris in der Tiefgarage vor dem sportlichen Kleinwagen, der sündhaft teuer gewesen war und den Cedric trotzdem nur in den seltensten Fällen benutzte. Er hasste es, selbst zu fahren. Selbst an normalen Tagen bedeutete es entschieden zu viel Stress, sich mit den Unzulänglichkeiten der anderen Verkehrsteilnehmer auseinandersetzen zu müssen, während sein Kopf mit wichtigeren Problemen beschäftigt war. Heute aber würde er nicht darum herumkommen. Es war bald fünf Uhr, die Stadt würde von der Rush hour aus allen Nähten platzen, und es konnte Ewigkeiten dauern, bis Carl hier eintraf, wenn er ihn jetzt anfunkte. Und einen anderen Fahrer wollte Cedric unter keinen Umständen. Gerade heute nicht.
Er warf seinen Mantel auf die Rückbank, setzte sich auf den Fahrersitz und startete den Motor, während Kris auf der anderen Seite einstieg. Mit leisem Brummen glitt der Wagen auf die belebten nächtlichen Straßen von Kenneth hinaus.
White Chapel lag – trotz seiner abgeschiedenen Lage – keine fünfzehn Kilometer von der West Street entfernt auf der anderen Seite der großen Hängebrücke Silver Bridge, die als Hauptverkehrsader die Stadtteile beidseits des Violet River miteinander verband. Der kürzeste Weg dorthin allerdings führte mitten durch die Innenstadt. Cedric atmete tief durch. Es war nicht zu ändern. Um diese Uhrzeit würde es nirgends wesentlich leerer sein.
Jenseits des Asia Park lag die Hauptstraße am Rand der Fußgängerzone unter einer Glocke aus dem dumpf glühenden Licht der Neonreklamen, Leuchttafeln, Straßenlaternen und Schaufensterbeleuchtung. Unzählige Vampire verstopften hier die breiten Gehwege oder warteten dicht gedrängt auf S-Bahnsteigen und Busbahnhöfen. Ein undefinierbarer Smog aus Stimmen, Motoren und Schritten füllte die Luft und drang selbst durch die geschlossenen Autofenster. Der Verkehr kroch trotz der sechsspurigen Fahrbahn nur im Schneckentempo dahin. Es dauerte vier Ampelschaltungen, bis Cedric sich endlich in den Hauptstrom eingefädelt hatte und sich mitziehen lassen konnte von der gewaltigen Lawine aus Blech, Gummi und Gestank. Hinter der Brücke, das wusste er, würde es etwas besser werden. Aber bis dahin half nur, die Zähne zusammenzubeißen und durchzuhalten.
Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass Kris ihn stumm beobachtete. Natürlich, er wartete auf die versprochenen Details. Und allmählich wurde es wohl wirklich Zeit, ihn darüber aufzuklären, was geschehen war – und warum Cedric ihn hier so dringend brauchte.
Cedric wandte kurz den Kopf, um Kris einen Blick zuzuwerfen. Dann atmete er tief durch. Es überraschte ihn selbst, wie sehr es ihm widerstrebte, das Thema anzusprechen. Aber noch länger zu warten wäre nichts anderes als dumm gewesen.
»Ich nehme an, der Name Dorian Keaton ist dir ein Begriff.«
Das Polster des Beifahrersitzes raschelte, als Kris sich aufsetzte. Cedric spürte seinen überraschten Blick. »Leiter des Lehrstuhls für molekularbiologische Psychoanalytik in Boston.
Relacin und die Heilkraft der Psyche
– eins der einschlägigsten Fachbücher der letzten Dekaden überhaupt. Nenn mir einen Biowissenschaftler, der ihn nicht kennt.«
Ein kurzes, trockenes Lachen rutschte Cedric über die Lippen.Kris’ Antwort verwunderte ihn nicht im Geringsten. Wer in
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