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Unberuehrbar

Unberuehrbar

Titel: Unberuehrbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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gleißender Energie nach ihr geworfen, sie absichtlich verfehlt und sie in ihrer Angst hin und her getrieben, bis sie einfach zusammengebrochen war …
    Wie von weit entfernt hörte Frei Red, der ihren Namen rief, ihren alten Namen, immer und immer wieder – oder war es Kris? Kris, der kam, um sie zu retten?
    Frei fiel auf die Knie und presste die Hände auf den zerrütteten Boden, der bebte und zitterte.
    Sie hatte recht gehabt. Er war hier.
    Sid war hier!
    Eine Hand griff nach ihrer Schulter, warm und vertraut. Und wie ein Schatten ragte kurz darauf Reds Silhouette vor ihr auf, den Revolver mit beiden Händen auf eine Gestalt hoch über ihnen gerichtet.
    Eine Stimme drang klar durch die Nachtluft, begleitet von einem schrecklichen Kichern. Und hinter weißen, zotteligen Haaren sah Frei dunkle Augen wie Kohlen glühen.
    »Guten Abend! Ich bin der Wächter von White Chapel. Bitte nennen Sie das Passwort!«

Kapitel Neun
    Forschungsstation White Chapel, Kenneth, Missouri
     
    Cedric stand in den kläglichen Überresten seines Büros, als Freis Schrei ihn erreichte. Die Polizisten – und an ihrer Seite vermutlich die Wächter für innerstädtische Sicherheit – hatten auf ihrer mutmaßlichen Suche nach Belegen für Cedrics Kontrollverlust vor nichts haltgemacht. Die Regale waren ausgeräumt, sämtliche Schubfächer seines Schreibtischs und selbst die Truhe mit den Blutkonserven vollständig geleert. Die Ordner mit den Versuchsprotokollen der vergangenen sieben Jahre fehlten, ebenso wie seine Notizbücher und sogar die Tasse mit kalt gewordenem Tee, von der er genau wusste, dass er sie vor seiner Abreise nach Schottland auf dem Tisch hatte stehenlassen. Nichts von ihm war in dem kahlen Raum zurückgeblieben. Nicht einmal sein Laborkittel.
    Aber all das verlor in dem Augenblick an Bedeutung, als Freis Stimme verzerrt durch das Treppenhaus drang. Cedric zögerte nicht eine Sekunde, ihr zu folgen. Er konnte sich nicht erinnern, in den letzten Jahrzehnten auch nur ein einziges Mal so schnell gelaufen zu sein.
    Aufs Dach.
    Denn Sid war dort. Er spürte es jetzt ebenfalls, während er die Treppen emporhastete, spürte die Mauern von White Chapel und die Stufen unter seinen Füßen erzittern, als das Leben, das Sid der Station einhauchte, aus seinem totenähnlichen Zustand erwachte und zu einem zentralen Punkt floss, um den Körper des Wächters zu formen.
    Doch warum das ausgerechnet auf dem Dach geschah, einem Ort, wo Sid sich wie jeder andere Mitarbeiter von White Chapel kaum jemals aufgehalten hatte, begriff Cedric erst, als er die Tür aufstieß, so heftig, dass sie trotz des reißenden Windes gegen die Wand knallte.
    »Sid!«
    Der Nachtwind griff nach seinen Haaren und riss ihm die Stimme von den Lippen. Das Bild, das sich ihm bot, war erschreckend vertraut und hatte doch seinen ganz eigenen Irrsinn: Er sah Frei, die bebend zwischen zerborstenen Bodenplatten kauerte, und Sid, der kichernd am Funkmast klebte und seinen ausgestreckten Arm auf sie richtete. Auf sie – und auf Red, der mit gespreizten Beinen vor ihr stand und mit seinem Revolver auf Sid zielte, der Frei beschützte und damit Kris vertrat, der diesen Part zuletzt übernommen hatte. Nein, eine Szene dieser Art sah Cedric nicht zum ersten Mal in den letzten Monaten, und das war ganz sicher kein Zufall. Frei hatte White Chapel ihre Erinnerung an Sid gegeben – und damit einen Fixpunkt, an den der Wächter sich klammern konnte, nachdem er sich selbst verloren hatte. Sie hatte Sid gefunden. Für den Augenblick.
    »Red – nicht schießen!«
    Red rührte sich nicht, hörte ihn vielleicht gar nicht über dem Rauschen des Nachtwindes in seinen Ohren. Aber durch den Körper des Wächters ging nun ein Ruck. Langsam wandte er sich von Frei und Red ab und Cedric zu – und ein einziger Blick in seine flackernden Augen bestätigte Cedrics schlimmste Befürchtung: Die schon zuvor so labile Psyche des Wächters war nun vollends verwirrt und unstet. Er erkannte ihn nicht einmal, betrachtete ihn mehr wie ein lästiges Insekt, das ihm vor den Augen herumschwirrte. Und ohne einen Willen, der sie formte, hielt die instabile Materie, aus der Sids Körperbestand, nicht richtig zusammen. Die Gestalt an der Antenne zuckte und wurde immer wieder seltsam unscharf, als sei er kurz davor, auseinanderzufallen. Doch es war Sid, der echte Sid, ohne Zweifel, und er war dabei, Energie zu sammeln.
    Viel zu viel Energie für seinen dürren Körper.
    Cedric warf noch einen Blick zu Red,

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