Unbescholten: Thriller (German Edition)
schon lange nicht mehr gehabt. Er machte sich ein Bier auf. Es war kalt und rann seine trockene Kehle hinunter. Er arbeitete sich durch den ganzen Kühlschrank: Schnapsfläschchen, Rotwein, ein halber Liter Weißwein, dazu ein Champagner. Partytime.
Wenig später blickte er glasig auf die Bucht hinaus. Die Minibar war leer. Doch der Rausch gab ihm nicht das, was er brauchte. Alkohol wurde vollkommen überbewertet. Er knirschte mit den Zähnen, und seine Hände zitterten. Lars ging im Zimmer auf und ab und kratzte sich am Kopf, ihn juckte es so furchtbar in diesem Zimmer, er wollte weg hier, wollte raus.
Die Sporttasche in der Hand, lief er mit schnellen Schritten den Strandvägen entlang, bog in die Sibyllegatan ein und ging weiter bis zu seinem Mietwagen in der Brahegatan. Er verstaute seine Ausrüstung im Kofferraum, überprüfte den Empfang der Mikrofone im Büro, schloss das Auto ab und lief zurück. Doch statt auf dem Strandvägen zum Hotel zurückzugehen, nahm Lars den Nybrokai, ging die Stallgatan hinauf, am Grand Hôtel vorbei und auf die Skeppsbron-Brücke. Zielstrebig lief er Richtung Söder.
Es war dunkel in der Wohnung und roch nach frischer Wandfarbe. Er ging geradewegs ins Arbeitszimmer, schloss die Schublade auf und holte heraus, was er brauchte. Dann zog er die Hose herunter und verpasste sich ein paar Zäpfchen. Alles wurde wieder weich und verlor seine Ecken und Kanten, an denen seine Gefühle sich hätten verletzen können.
Lars stand vom Stuhl auf und legte sich auf den Boden. Er schlief nicht ein, er wollte sich nur für eine Weile ausruhen.
––––––––
Als sie sich Marbella näherten, bemerkte Sophie, dass Hector sehr blass war. Ein glänzender Schweißfilm lag auf seinem Gesicht. Er atmete angestrengt und schnell. Sie legte ihre Hand auf seine Stirn, die sich kalt anfühlte und feucht.
»Hector?«
Er nickte, ohne sie anzusehen. Sie ließ ihre Hand über seinen Nacken gleiten, er war schweißnass.
»Was ist los, Hector?«
»Nichts, fahr einfach.«
Sie bat ihn, sich vorzubeugen. Er zögerte, dann lehnte er sich ein paar Zentimeter nach vorn. Da sah sie das Blut auf seinem Rücken, auch der Sitz und der Boden waren voller Blut.
»Oh Gott!«, rief sie. »Du musst dich behandeln lassen!«
Er hustete. »Nicht ins Krankenhaus. Fahr nach Hause, dort gibt es einen Arzt.«
»Nein, du musst ins Krankenhaus. Hör mir gut zu, du hast viel Blut verloren, du musst dich behandeln lassen.«
»Es gibt einen Arzt bei meinem Vater zu Hause, der wird sich um mich kümmern. Wenn ich ins Krankenhaus gehe, komme ich ins Gefängnis. Du fährst, und ich sage dir, wo wir hinfahren.«
Es ging an Marbella vorbei, ein Stück die Berge hinauf und dann wieder hinunter zum Meer. Hector hatte ihr anfangs Anweisungen gegeben, doch jetzt nickte er immer wieder ein. Sophie wusste, was das bedeutete.
»Hector!«
Er drehte den Kopf zu ihr, er hörte sie noch.
»Du darfst nicht einschlafen! Hörst du mich?«
Er nickte schwach, dann war er wieder weg.
Sie rüttelte Hector immer wieder an der Schulter, redete laut auf ihn ein und versuchte ihn dazu zu bringen, ihr zu antworten.
Es dämmerte bereits, als sie einen langen Weg hinauffuhr, der sich zwischen Rasenflächen auf das Haus zu schlängelte. Der Garten war größer, als sie es sich vorgestellt hatte, das Grundstück war ein endlos wirkender Park, links von ihm lag das Meer. Vor dem Haus parkten mehrere Autos und ein Krankenwagen, die Haustür stand weit offen. Sie hupte, stieg aus und rief sofort um Hilfe.
Ein Mann kam ihr entgegengerannt.
»Hector liegt mit einer Schusswunde im Auto«, sagte Sophie atemlos auf Englisch.
Der Mann drehte sich auf der Treppe um und rief etwas auf Spanisch. Ein zweiter Mann erschien, und sie rannten zum Krankenwagen. Sie zogen die Trage heraus und liefen zu Hectors Peugeot, hoben Hector heraus und trugen ihn ins Haus.
Sophie folgte ihnen die Treppe hinauf. Das Erste, was sie sah, waren die zerborstenen Fenster des Esszimmers. Überall auf dem Boden lagen Scherben. Ein weißes Tuch verbarg einen Körper.
Während sie sich erschrocken umsah, riss einer ihrer Helfer Hectors Kleider auf, der andere suchte in seiner großen Tasche nach Plasmabeuteln und überprüfte die Blutgruppen. Sie arbeiteten schnell und routiniert. Der Mann war Arzt, das erkannte Sophie sofort, und es beruhigte sie.
»Ich bin Krankenschwester«, sagte sie zu ihm. Er sah sie an, dann glitt sein Blick durch das Zimmer. Er zeigte auf einen
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