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Unbescholten: Thriller (German Edition)

Unbescholten: Thriller (German Edition)

Titel: Unbescholten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Söderberg
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wie erloschen, wirkten tot und leer. Als wäre jemand in sie hineingekrochen und hätte sie von innen ausgehöhlt. Hatte sie schon immer solche Augen gehabt? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Er wusste nur, dass sie jetzt hier war und dass sie vermutlich nicht allein gekommen war. Und ihm war klar, dass sie wusste, was er wusste. Vielleicht hatten sie sogar die Mikrofone in der Brahegatan entdeckt.
    Lars schaute auf die Tablettenpackung in ihrer Hand. Er erinnerte sich, wie er den Priester im Altersheim Lyckoslanten angelogen hatte und wie leicht es war, zu lügen. Die Erwartungen zu bestätigen war doch immer noch die beste Lüge.
    »Lars? Antworte auf meine Frage.«
    Er saß auf dem Boden und rieb sich die Augen.
    »Was willst du wissen?«
    »Ich will wissen, was du in den letzten Tagen gemacht hast, und ich will wissen, warum du Morphium, Benzodiazepine und Nervenmedikamente nimmst.«
    Er schwieg eine Weile. »Verzeih mir, Gunilla …«
    Sie musterte ihn. »Was soll ich dir verzeihen, Lars?«
    »Verzeih mir, dass ich dich enttäuscht habe.«
    »Wieso hast du mich enttäuscht?«
    Lars seufzte. Vielleicht mochte sie ihn ja doch. »Als ich klein war«, begann er, »vielleicht zehn oder elf Jahre alt, bekam ich Medizin, um besser einzuschlafen. Richtige Drogen waren das. Meiner Mutter wurden sie verschrieben … und ich wurde davon abhängig. Später, gegen Ende meiner Teenagerzeit, bekam ich Hilfe und nahm keine Tabletten mehr. Ich habe es geschafft, den Großteil meines Erwachsenenlebens ohne Pillen zu bleiben. Ich bin jeder Form von Alkohol aus dem Weg gegangen und habe keine starken Medikamente genommen. Aber dann habe ich neulich wegen meiner Rückenschmerzen einen Arzt aufgesucht. Und als er nachfragte, habe ich auch von meinen Schlafstörungen erzählt. Er hat mir etwas Schmerzstillendes verschrieben, und ich habe es genommen.«
    Er sah zu ihr auf, sie hörte ihm tatsächlich immer noch zu.
    »Es waren keine besonders gefährlichen Sachen, aber es war, als hätte jemand einen Hebel umgelegt. Ich habe es genossen … ich habe es so sehr genossen. Mein ganzer Körper reagierte auf diese Tabletten. Und dann ging alles ganz schnell. Innerhalb von wenigen Tagen war ich wieder abhängig.«
    »Du hast gesagt, du hättest mich enttäuscht?«
    Er sah zu Boden und nickte kaum merklich. »Ich habe meine Arbeit vernachlässigt. Die ganzen letzten Tage habe ich nur hier herumgelegen. Ich habe dich von hier aus angerufen, als ich sagte, ich würde Sophie suchen. Ich habe dich angelogen.«
    Gunilla versuchte zu erkennen, ob das die Wahrheit war. Dann entspannte sie sich. »Das macht nichts, Lars«, sagte sie. »Das macht gar nichts …«
    Sie stand auf und verließ wortlos das Zimmer.
    »Gunilla!«
    Sie drehte sich zu ihm um.
    »Entschuldige«, sagte Lars. »Ich will diesen Job nicht verlieren. Du hast mir eine Chance gegeben, gib mir noch eine, bitte.«
    Sie antwortete nicht. Lars hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Anders Ask erschien im Türrahmen. Er lächelte im Vorbeigehen und tat so, als würde er Lars mit dem Zeigefinger erschießen, dann folgte er Gunilla ins Treppenhaus. Die Wohnungstür fiel ins Schloss, und es wurde still in der Wohnung.
    Lars blieb reglos liegen, bis er ihre Schritte nicht mehr hören konnte. Dann stand er auf, sammelte seine Tabletten zusammen, wartete einen Moment, verließ die Wohnung und ging zur U-Bahn-Station.
    Er fuhr eine Weile durch die Stadt. Als er sicher war, dass niemand ihm folgte, kehrte er in sein Hotel am Strandvägen zurück und hängte das Do-not-disturb -Schild an die Klinke. Er fiel schwer aufs Bett und zitterte am ganzen Körper, denn ihm war klar, dass er dem Tod nur um Haaresbreite entkommen war. Warum auch immer Gunilla ihn diesmal hatte davonkommen lassen. Lars wusste, dass jetzt jede Minute zählte.
    Leszek stand am Herd und briet Speck. Sein rechter Arm war verbunden, doch er erledigte alles problemlos mit der linken Hand. Raimunda saß auf einem Sessel und las einen Roman von Annie Proulx, und Hector lag noch immer reglos in seinem Bett. Aus der Stereoanlage klang leise Chopin, Hectors Lieblingsmusik – das war Raimundas Idee gewesen. Sophie saß auf der Sofakante und lauschte. Es war eine Bernstein-Einspielung, das zweite Klavierkonzert, f-Moll. Als Kind hatte sie sich selbst daran versucht.
    Sophie stand auf und ging zu Leszek an die Anrichte hinüber. Er wendete den Speck in der Pfanne. Er sah niedergeschlagen aus. »Möchtest du, dass ich für dich

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