Unbescholten: Thriller (German Edition)
weigere? Wenn ich hier weggehe und nie wieder zurückkomme?«
»Das geht leider nicht«, sagte Aron.
»Warum nicht?«
»Weil du die Vollmacht bekommen sollst. Und mit der Vollmacht ändert sich dein Leben. Du bist jetzt nicht mehr die Krankenschwester, von der du gerade geredet hast.«
»Die Polizei weiß, wer ich bin«, sagte sie. »Sie haben mich im Restaurant gesehen.«
»Diese Polizisten wollten an unser Geld. Du bist ihnen im Grunde vollkommen egal. Wenn sie erkannt haben, dass du nichts mit uns zu tun hattest, werden sie dich in Ruhe lassen. Leszek wird dich nach Hause begleiten, er wird dich beschützen, wenn es nötig ist.«
»Und du?«, fragte sie.
»Ich werde dir sagen, was du tun musst. Ich werde dich in unsere Arbeit einführen. Wir werden ein paar Tage hier in den Bergen darauf verwenden, dann sehen wir, wie sich die Dinge in Stockholm entwickelt haben.« Er drehte sich um und begann mit dem Abstieg.
Sie folgte ihm langsam. Aron blieb stehen und wartete, bis sie ihn eingeholt hatte. Er sah sie ernst an und reichte ihr die Hand.
––––––––
Anders Ask zu beschatten war nicht weiter schwierig gewesen. Nach der Arbeit machte er immer einen Abstecher zum Seven-Eleven an der Ecke Odengatan und Sveavägen, kaufte eine Abendzeitung, Getränke und Süßigkeiten und redete ein bisschen mit der jungen Verkäuferin an der Kasse. Dann legte er einen kurzen Zwischenstopp bei dem Italiener mit den karierten Tischdecken ein, um sich eine Pizza zu holen, und kehrte schließlich zu seiner Wohnung gegenüber dem Vanadislunden-Park zurück.
Lars hatte sich Zutritt zu dem Gebäude verschafft und das Schloss von Anders’ Wohnungstür fotografiert. Es war ein etwas in die Jahre gekommenes Sicherheitsschloss der Marke ASSA. Dann hatte er dasselbe Modell bei einem Schlosser in Kungsholmen gefunden und anschließend im Hotelzimmer geübt, es zu knacken. Er probierte bis tief in die Nacht und wünschte sich, er wäre mit drei Händen geboren worden.
Als die Sonne schon wieder über Djurgården aufging, gelang es ihm zum ersten Mal, das Schloss zu knacken. Lars trainierte bis in den Nachmittag hinein und schaffte es schließlich in weniger als drei Minuten.
Er verließ das Hotel und ging zu Fuß zum Sveavägen. Um halb vier trat er in den Hauseingang, nahm den klapprigen Aufzug in die dritte Etage, schob das Gitter zur Seite und stand vor Anders Asks Wohnungstür.
Anders hatte zwei Nachbarn. Norin und Grevelius stand auf den Namensschildern. Bei Norin war alles ruhig, bei Grevelius lief ein Fernseher. Lars zog sich eine Mütze über den Kopf und holte seinen Dietrich heraus. Er kniete sich auf den kalten Steinboden hin, atmete ein paarmal tief durch und begann mit der Arbeit.
Ein Stockwerk höher wurde eine Wohnungstür geöffnet und wieder geschlossen, der Aufzug fuhr langsam nach oben. Lars musste seine Arbeit unterbrechen und versteckte sich auf der Treppe, als der Aufzug wieder nach unten fuhr. Es dauerte knapp drei Minuten, dann hatte er das Schloss geknackt.
Lars zog sich Schuhüberzieher, Mundschutz und Handschuhe an und trat in Anders’ Flur.
Es war eine Zweizimmerwohnung mit einer großen Küche. Im Wohnzimmer stand ein Sofa mit platt gedrückten Kissen und ein schiefer Wohnzimmertisch von Ikea. Dazu eine Vitrine mit staubigen Porzellanfiguren, daneben hingen ein paar billige Kunstdrucke. Ein riesiger Flachbildschirm war an der Wand befestigt, und auf dem Boden standen Lautsprecher. Anders schien Dolby Surround zu mögen.
Lars ging ins Schlafzimmer. Ein ungemachtes Bett, zugezogene Vorhänge und auf dem Nachttisch eine Taschenbuchausgabe von Arto Paasilinnas Das Jahr des Hasen. Auf dem Boden lag eine Reisetasche. Er hockte sich daneben und öffnete sie. Kleidung, Pass, Geld – Anders hatte anscheinend vor zu verschwinden.
Lars ging zurück in die Küche und setzte sich. Die Wanduhr tickte, er nahm den Mundschutz ab und ließ ihn am Gummiband um seinen Hals hängen. Das Rauschen des Verkehrs auf dem Sveavägen wirkte einschläfernd, Lars nickte ein. Vielleicht waren die letzten Stunden auch zu viel für ihn gewesen.
Er wurde vom Geräusch eines Schlüssels geweckt. Die Wohnungstür öffnete und schloss sich wieder. Anders räusperte sich im Flur. Lars hörte, wie er den Schlüssel ablegte, die Schuhe auszog und einen Reißverschluss öffnete, dann das Knistern von Nylon, als er sich die Jacke auszog. Ein tiefer Seufzer und der Duft von frisch gebackener Pizza. Schließlich Schritte im
Weitere Kostenlose Bücher