Unbescholten: Thriller (German Edition)
mit der karierten Schürze hatte ihnen alle möglichen Sorten vorgeschlagen, aber sie hatten nur abgewinkt und sich für einfachen Kaffee entschieden. Aron saß etwas weiter entfernt und wartete geduldig, das Lokal hatte er fest im Blick.
»Trinkt Aron keinen Kaffee?«
Hector schüttelte den Kopf. »Aron ist ein wenig eigen.«
Einen Augenblick schwiegen sie.
»Wie läuft es in der Buchbranche?«, fragte Sophie.
Hector lächelte. »Wie läuft es in der Krankenbranche?«, fragte er zurück.
»Wie immer. Die Leute werden krank, manche werden gesund, alle sind tapfer.«
Hector merkte, dass sie es ernst meinte. »So ist das«, sagte er und trank einen Schluck Kaffee. Dann setzte er die Tasse ab. »Ich feiere bald Geburtstag.«
Sie blickte ihn freundlich, aber fragend an.
»Ich würde dich gern einladen, Sophie.«
»Vielleicht komme ich ja auch«, antwortete sie leichthin.
Hector blickte sie kurz an. Sie sah die winzige Veränderung sofort, er wirkte verärgert.
»Das ist eine Einladung. Man kann auf eine Einladung nicht mit ›vielleicht‹ antworten.«
Sophie kam sich dumm vor, als hätte sie die Spielregeln nicht begriffen. Als ginge sie davon aus, dass er mit ihr flirtete und sie sich unnahbar zeigen müsste. Vielleicht flirtete er aber gar nicht mit ihr. Es ging ihm um etwas anderes. Worum genau, das war ihr noch nicht klar.
»Entschuldige«, erwiderte sie.
»Ist schon in Ordnung«, sagte er schnell.
»Ich komme sehr gern zu deinem Geburtstag, Hector.«
Blitzlichtgewitter. Ralph Hanke lächelte in die Kameras und schüttelte einem klein gewachsenen Mann mit dünnem Haar und Schnurrbart die Hand.
Ein Journalist fragte den Lokalpolitiker, ob er es für eine gute Idee halte, ein Einkaufszentrum auf einem Gelände zu errichten, auf dem man Umweltgifte vermutete. Der Politiker stotterte und wusste nach ein paar Sätzen nicht mehr, was er sagen sollte. Ralph Hanke sprang ein.
»Das ist doch Unsinn. Wir haben viel Zeit und Geld investiert, um das Terrain zu untersuchen.«
Ralph Hanke gab niemals Interviews. Er tauchte nur hin und wieder unerwartet auf, wenn nichts weiter auf dem Spiel stand, wie etwa bei dieser Einkaufspassage in einem Münchner Vorort.
Roland Gentz, Jurist und Hankes rechte Hand, stellte sich vor ihn hin und dankte den Journalisten für ihr Interesse. Dann führte er Ralph Hanke hinter das Podium.
Ihren Wagen fuhr Michail Sergejewitsch Asmarov, ein Russe mit einem Nacken, der fast ebenso breit war wie der Sitz, auf dem er saß.
»Er weiß einfach nicht, wann er die Klappe halten muss. Das Problem mit diesem Idioten ist, dass er glaubt, er arbeite für die Bevölkerung«, sagte Roland Gentz vom Beifahrersitz.
Ralph Hanke sah aus dem Fenster. Gebäude glitten vorbei, Häuser, Geschäfte, Wohngebiete und Menschen. In letzter Zeit hatte er viel riskiert. Und viel gewonnen. Seine Baufirma bekam alle Aufträge. Es machte sich einfach gut, Passagen, Werften, Parkhäuser und Bürohäuser zu bauen, es legitimierte seine Geschäfte. Er verdiente gutes Geld dabei, sauberes Geld sogar.
Hanke hatte es ganz allein zu etwas gebracht, das konnte ihm niemand absprechen. Als Einzelkind war er in einer armen Familie in der ehemaligen DDR aufgewachsen. 1978 war sein Sohn Christian zur Welt gekommen. Ralph hatte sich von seiner damaligen Frau getrennt, die eine unglückliche Vorliebe für Heroin entwickelte. In den Jahren vor dem Mauerfall arbeitete er bei der Postverwaltung, wo er Kollegen an die Stasi verriet. Seine Spitzelei verschaffte ihm Vorteile, die ihm später nützlich waren. Er lernte einige Stasibeamte kennen, die Unterlagen beiseiteschafften, die sie nach dem Mauerfall teuer verkaufen konnten.
Im letzten Jahr vor dem Mauerfall hatte Hanke ausschließlich für die Stasi gearbeitet, er war Teil der Kommerziellen Koordinierung, KoKo. Ziel dieser Abteilung war es gewesen, über den Geheimdienst an Westwährung zu kommen, um das bankrotte Land zahlungsfähig zu halten.
Ralph Hanke und seine Freunde verkauften Handfeuerwaffen der ostdeutschen Armee an alle, die sie haben wollten. Die erste Auslandsreise seines Lebens führte ihn nach Panama. Damals war General Noriega an der Macht, und der bezahlte die Waffen bar und in Dollar. Ralph Hanke spürte zum ersten Mal, dass er etwas bewegen konnte. Am 9. November 1989 ging er an der Seite seines Sohnes frei wie ein Vogel durch den Übergang am Brandenburger Tor nach Westberlin hinüber.
Eine Weile lebte er dort bei einem alten Freund. Er wartete ein
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