Unbescholten: Thriller (German Edition)
Feier.«
»Bei wem?«
Sophie blieb in der Diele stehen und betrachtete sich im Spiegel.
»Bei einem Freund. Er heißt Hector.«
Sie trug Lippenstift auf und beugte sich zum Spiegel vor.
»Hector? Wer heißt denn heute noch Hector?«
Sophie presste die Lippen aufeinander. »Albert!«, sagte sie nur.
»Wer ist er denn? Was Ernstes, Mama?«
Sie hörte den leisen Spott in seiner Frage und musste lächeln. Albert stand auf und ging an ihr vorbei in die Küche.
»Du siehst toll aus, Mama«, sagte er dann.
In letzter Zeit war ihr aufgefallen, dass er sie die wenigen Male, die sie ausging, immer ermutigte.
»Danke, mein Schatz.«
Das Taxi setzte sie vor dem Trasten ab. Als sie das Restaurant betrat, kam ihr ein junger Mann in weißem Hemd und schwarzer Hose entgegen, um ihr den leichten Mantel abzunehmen. Sophie war plötzlich nervös und zweifelte daran, dass es eine gute Idee war hierherzukommen.
Der Raum war mit Kerzen erleuchtet. Um die Tische herum saßen Gäste, die sich angeregt unterhielten, tranken und lachten. Hinter ihr kamen immer neue Gäste herein. Sophie sah an sich herunter. Sie war sich nicht sicher, ob sie zu lässig gekleidet war. Eine Frau kam mit einem Tablett mit Sektgläsern vorbei. Sophie nahm eines und suchte im Getümmel nach Hector. Schließlich entdeckte sie ihn weiter hinten im Lokal mit einem kleinen Jungen auf dem Schoß. Der Junge lachte, als Hector ihn auf seinem gesunden Bein reiten ließ. Jemand klopfte an ein Glas. Sophie lehnte sich an eine Wand und sah einen großen Mann um die fünfzig mit kahlem Kopf und offenem weißen Hemd. Er wartete, bis sich das Stimmengewirr gelegt hatte. Dann klopfte er noch einmal an sein Glas. Eine Stimme rief etwas auf Spanisch, und ein paar Leute lachten. Der Mann wartete, dann fing er an, eine Rede auf Spanisch zu halten. Er wandte sich ab und zu an Hector, und nach einer Weile senkte er die Stimme und klang sentimental. Hector hörte ruhig zu, der Junge auf seinem Schoß saß ganz still und schmiegte sich an ihn. Schließlich erhob der Redner sein Champagnerglas und brachte einen Toast auf Hector aus.
Als alle miteinander angestoßen hatten, entdeckte Hector Sophie in der Menge und winkte sie zu sich. Der Junge, der auf seinem Schoß gesessen hatte, hüpfte davon. Das Stimmengewirr schwoll wieder an, und Sophie ging zu Hector hinüber, der seiner Nachbarin etwas zuflüsterte. Das Mädchen überließ seinen Platz Sophie, die sich mit einem Lächeln bedankte. Hector stand auf und schien bei Sophies Anblick kurz zu zögern. Sophie musste lachen. Er riss sich zusammen und küsste sie auf beide Wangen.
»Willkommen, Sophie.«
»Alles Gute zum Geburtstag, Hector.«
Sie überreichte ihm ein kleines Geschenk, und er nahm es, ohne es zu öffnen. Kurz ließ er seinen Blick auf ihr ruhen.
»Ich freue mich, dass du da bist. Komm, ich stelle dir meine Schwester vor.«
Sophie sah Aron an einer Bar am anderen Ende des Raumes sitzen, er nickte ihr freundlich zu. Eine Frau erhob sich, sie hatte kurzes dunkles Haar, dunkle Sommersprossen und wache Augen, die zugleich neugierig und fröhlich wirkten.
»Sophie, das ist meine Schwester Inez.«
Sophie streckte die Hand aus. Inez übersah die Hand und küsste Sophie auf die Wangen. Hector redete schnell auf Spanisch, und Inez erwiderte etwas, während sie Sophie anschaute.
»Sie bedankt sich bei dir, dass du dich um ihren Nichtsnutz von Bruder gekümmert hast.«
Sophie erfuhr, dass Inez zwei Kinder hatte, die mit ihrem Mann in Madrid geblieben waren.
»Mein Bruder konnte nicht kommen, er lebt in Frankreich, ist Meeresbiologe und zieht es vor, unter der Wasseroberfläche zu bleiben. Aber ich nehme ihm das nicht übel«, erklärte Hector.
Der Mann, der die Rede gehalten hatte, kam auf sie zu und umarmte Hector, dann wandte er sich an Sophie. Sein massiger Körper und seine gewaltige Nase wirkten noch größer, als er so nah vor ihr stand. Er trug einen dicken Armreif, eine Kette um den Hals und an den Ringfingern zwei große Siegelringe.
»Sophie, das ist Carlos Fuentes, der Besitzer dieses Lokals.«
»Schön, dich kennenzulernen, Sophie. Du warst schon einmal hier mit Hector zum Mittagessen.« Carlos sprach mit starkem Akzent Schwedisch. »Du bist Krankenschwester, habe ich gehört. Da kannst du bei Gelegenheit vielleicht auch mein gebrochenes Herz zusammenflicken?«
Er legte sich die Hand auf die Brust, lächelte sie an und ging davon.
»Warum hat er ein gebrochenes Herz?«, fragte Sophie.
Hector
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