Unbescholten: Thriller (German Edition)
Ungewöhnliches zu beobachten. Er wartete eine Weile und starrte ins Leere, dann fuhr er eine Runde und prägte sich zum zehnten Mal die Straßen ein. Er suchte sich einen neuen Parkplatz und notierte etwas, das eigentlich nicht notierenswert war. Um neun beschloss er, eine letzte Runde am Haus vorbei zu machen, bevor er den Heimweg antrat.
Sophie kam gerade aus der Tür und ging zu einem Taxi, das an der Gartenpforte auf sie wartete. Sie trug ihre dünne Jacke offen und hatte eine Tasche in der Hand.
Lars sah Sophie wie in Zeitlupe, als er an dem Taxi vorüberfuhr. Alles schien plötzlich stillzustehen, und für einen kurzen Moment schien ihm Sophie perfekt zu sein, ein Bild der Vollkommenheit. Lars wurde schlagartig von dem Gefühl überwältigt, sie schon lange zu kennen. Er schüttelte rasch diesen Gedanken ab, wendete das Auto die Straße hinunter und folgte dem Taxi.
Es bog in die Birger Jarlsgatan ein, fuhr am Park Humlegården vorüber und hielt schließlich auf der Sibyllegatan. Er sah, wie Sophie aus dem Taxi stieg, und beobachtete im Rückspiegel, sie in einem Hauseingang verschwand.
Er parkte ein Stück entfernt auf der Busspur und wartete eine Minute, bevor er aus dem Auto stieg. Mit seiner Taschenlampe leuchtete er in den Hauseingang hinein, in dem sie verschwunden war, und schrieb alle Namen auf dem Klingelschild ab.
Um halb elf trat Sophie mit einer Freundin wieder auf die Straße. Arm in Arm liefen die beiden Frauen in Richtung Östermalmstorg. Sophie gestikulierte, die Freundin blieb stehen und lachte herzlich. Lars stieg wieder aus dem Auto und folgte ihnen.
Sophie und ihre Freundin gingen in ein Lokal. Lars setzte sich in die Bar und beobachtete sie von seinem Platz aus, trank eine Virgin Mary und fühlte sich deplatziert. Er ging selten aus, und wenn, dann eher in Restaurants, niemals in einen Club und schon gar nicht in Södermalm. Er sah zu Sophie hinüber, merkte, dass er sie anstarrte, und blickte wieder weg. Der Tomatensaft schmeckte nach Tomate, und das Gemüse darin war bitter. Sophies Anwesenheit brachte ihn aus der Ruhe, er schielte wieder zu ihr hinüber und war verblüfft, wie gut sie aussah, ja wie schön sie war. Die kleinen, fast unsichtbaren Fältchen um ihre Augen, ihr makelloser Hals, ihr glänzendes Haar und ihr schöner Nacken. Ein perfekter Nacken, der ihrer Haltung etwas Besonderes verlieh. Dann ihre Stirn, die sie so elegant erscheinen ließ, elegant und intelligent.
In diesem Augenblick drehte sich Sophie zu ihm um, vielleicht spürte sie die Intensität seines Blickes. Ihre Blicke trafen sich kurz, sie lachte ihn an, er lächelte zurück, aber ihr Blick ging an ihm vorbei.
Lars räusperte sich, schaute sich um und verließ wenig später das Lokal.
Zu Hause schrieb er seinen Bericht über die Ereignisse des Abends und über Sophies Freundin. Dazu listete er die Namen auf, die er im Treppenaufgang gelesen hatte, und faxte das Ganze an Gunilla.
Sara schlief bereits. Er legte sich zu ihr, und sie wachte auf.
»Wie spät ist es?«, flüsterte sie.
»Spät … oder früh«, sagte er.
Sie wickelte sich fest in ihre Decke und drehte sich wieder um. Er drückte sich ungeschickt an sie.
»Hör auf, Lars«, seufzte sie und rückte etwas von ihm ab.
Er drehte sich auf den Rücken, starrte an die Decke und lauschte auf den Verkehrslärm, der von der Straße heraufdrang. Als er einsah, dass er nicht einschlafen konnte, stand er wieder auf und setzte sich vor den Fernseher.
In allen Frauen, die auf dem Bildschirm erschienen, sah er immer nur Sophie Brinkmanns Gesicht.
––––––––
Die Kaufhausmusik war leise und beruhigend. Sophie sah sich in der Damenabteilung Unterwäsche an und befühlte Qualität und Material. Ging weiter zum Make-up und kaufte eine teure Creme, die Unmögliches versprach.
»Sophie?«
Erstaunt drehte sie sich um und sah Hector mit Krücke und hinter ihm Aron mit zwei Tüten von einem Herrenausstatter.
»Hector.«
»Hast du etwas gefunden, das dir gefällt?«, fragte er.
»Eine Creme, bis jetzt.« Sie hob ihre kleine Papiertüte hoch. »Und du?«
Hector sah auf die Tüten in Arons Hand und nickte vor sich hin. »Ich weiß nicht«, sagte er und sah sie an. »Wir haben noch nie zusammen Kaffee getrunken.«
»Wie bitte?«
»Wir haben neulich nach dem Essen keinen Kaffee mehr getrunken. Es gibt hier ein anständiges Plätzchen, unten im Restaurant. Hast du Lust?«
Sophie nahm Kaffee mit Milch, genau wie Hector. Das junge Mädchen
Weitere Kostenlose Bücher