Unbescholten: Thriller (German Edition)
paar Monate, dann begann er damit, ehemaligen Spitzeln ihre eigenen Akten zu verkaufen. Je mehr Zeit verging, desto mehr Geld bekam er dafür. Sein neues Vermögen benutzte er dazu, die gestohlenen Lagerbestände der Volksarmee aufzukaufen, Fahrzeuge, Waffen und andere Ausrüstungsgegenstände, die für wenig Geld zu bekommen waren. Er verkaufte sie zum zehnfachen Preis weiter. Außerdem behielt er Kopien der Stasiberichte, die er an die Spitzel verkauft hatte. Einige von denen bekleideten schon bald hohe Posten im wiedervereinten Deutschland.
Ende der Neunzigerjahre, als die meisten von ihnen sich sicher fühlten mit ihrem Geheimnis, bekamen sie erneut Besuch von Ralph Hanke, nun in Begleitung von Christian. Diesmal wollte Ralph kein Geld, diesmal wollte er Macht und Einfluss.
Ralph und Christian Hanke reisten durch die Welt und knüpften Kontakte zu Regierungen und Großkonzernen, bezahlten Schmiergelder und verkauften mittels Strohmännern und fiktiver Unternehmen Flugzeuge, Fahrzeuge sowie Radarausrüstungen an Krieg führende Länder. Innerhalb weniger Jahre hatten sie die Hanke GmbH aufgebaut und verdienten ein Vermögen.
Sie waren in der Münchner Innenstadt angekommen.
Hanke setzte sich auf dem knarzenden Ledersitz zurecht.
»Hast du Christian erreicht?«
»Ja«, antwortete Roland Gentz.
»Und?«
»Er ist zu Hause und ertränkt seinen Kummer in Alkohol. Sie hat ihm anscheinend viel bedeutet.«
Ralph Hanke schaute wieder aus dem Fenster. Nachdem Christians Auto in die Luft geflogen war, war seine erste Reaktion Erleichterung gewesen. Erleichterung darüber, dass nicht Christian im Wagen gesessen hatte. Er hatte darüber nachgedacht, ob das wirklich Guzmans Antwort gewesen war. Hatte er es auf die Freundin abgesehen oder auf Christian? Oder war es ein Gruß von jemand ganz anderem? Nein, es musste Guzman gewesen sein, aber seine Vorgehensweise erstaunte Hanke ein wenig. Setzte er den Tod der Freundin mit den Verletzungen gleich, die Hector auf dem Fußgängerüberweg davongetragen hatte?
Er blinzelte zu den Kuppeln der Frauenkirche hinauf und versank wieder in Gedanken, er war neugierig, wie Adalberto Guzman reagieren würde, wenn er ihn in die Knie zwänge. Das wahre Wesen eines Menschen zeigte sich doch erst, wenn er am Boden lag, erst dann konnte man sich ein Urteil bilden. Manche blieben kläglich liegen. Manche standen auf, schoben die Schuld auf jemand anderen und verkauften ihr Seele dem Teufel. Überlebensinstinkt konnte man das nennen, Ralph Hanke nannte es Todesangst. Und dann gab es noch diese kleine Gruppe von Menschen, die furchtlos zurückschlugen. Vor denen hatte er Respekt. Vielleicht gehörte Guzman ja zu ihnen?
Roland brach das Schweigen und ging mit ihm die Tagesplanung durch. Er arbeitete seit acht Jahren für Ralph Hanke. Roland Gentz hatte dafür gesorgt, dass alle Probleme, die Ralph hatte, sich in Vorteile verwandelten. Roland war seine rechte Hand, ohne die er nicht sein konnte, er erledigte, was Ralph nicht selbst tun konnte. Er hatte einen minutiösen Überblick über alle Vorgänge. Wenn jemand einmal nicht spurte, trat Roland einen Schritt zur Seite, und Michail übernahm. Es war eine kleine, aber sehr effektive Organisation, die Ralph Hanke aufgebaut hatte.
»Michail, du fährst nach Rotterdam, oder?«, fragte Roland Gentz.
»Warum soll er nach Rotterdam?«
Roland schaute über die Schulter. »Ich habe beschlossen, dass einer von uns die Ware entgegennehmen soll, zumindest im ersten halben Jahr. Guzman könnte auf dumme Gedanken kommen.«
»Aber warum Michail, haben wir keinen anderen?«
»Die sind alle beschäftigt. Es geht nicht anders.«
Michail erklärte, er habe alles vorbereitet, er würde mit zwei weiteren Männern fahren, alles würde gut gehen.
»Wer sind die anderen?«
»Wir haben in Tschetschenien zusammen gedient.«
»Sind sie sauber?«
Michail lächelte schief.
Ralph Hanke hatte den Russen schon immer gemocht. Michail stellte selten etwas infrage und tat, was man ihm sagte. Und wenn einmal etwas nicht nach Plan lief, löste er das Problem auf seine Weise.
»Okay«, sagte Ralph und entspannte sich in seinem Sitz. Er schloss die Augen. Ein paar Minuten Schlaf wären jetzt genau das Richtige.
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Sophie probierte vor dem Spiegel verschiedene Röcke an. Aber sie fand sie alle zu schick und entschied sich schließlich für Jeans.
»Wo willst du hin?«
Albert saß auf dem Sofa, als sie die Treppe herunterkam.
»Zu einer
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