Unbescholten: Thriller (German Edition)
Zeit zu Zeit das Umblättern der Seiten. Er blinzelte. In Gedanken lag er neben ihr im Bett, und sie lächelte ihn an.
Mit offenem Fenster fuhr er in der Nacht nach Hause. Der schwedische Frühling war plötzlich zum Sommer geworden, und die Luft wehte lau und klar zu ihm ins Auto herein. Zu Hause machte er sich sofort an seinen Bericht.
»Warum schreibst du auf der Schreibmaschine und nicht am Computer?« Sara stand in der Tür. Sie war aufgewacht und trug eines dieser hässlichen, verwaschenen Nachthemden.
Er sah sie an, stand auf und knallte ihr die Tür vor der Nase zu. Dann schloss er ab und ging zurück an seinen Schreibtisch.
»Was ist denn los mit dir?!«
Er hörte nicht auf sie, sondern schrieb weiter auf der Maschine. In seinem Bericht für Gunilla gab er den Dialog am Abendbrottisch wieder. Dann glitten die Seiten durch das Faxgerät.
Er wollte sich heute nicht zu Sara legen und machte sich über eine Flasche Sherry her. Lars trank direkt aus der Flasche, während er darauf wartete, dass der Computer hochfuhr. Sherry, was für ein elendes Gesöff. Was konnte man daran nur finden? Er zwang das Zeug hinunter. Der Computer war hochgefahren, und Lars klickte auf einen Ordner, markierte den Inhalt und wählte »Diashow«. Zum Klang von Puccini sah er sich die Bilder von Sophie an. Er hatte Hunderte von ihr, die im Abstand von fünf Sekunden über die gesamte Größe des Bildschirms vor seinen Augen abliefen.
Lars saß zurückgelehnt auf seinem Schreibtischstuhl und sah, wie Sophie zur Arbeit radelte, wie sie zu Hause den Schlüssel ins Schloss steckte, verschwommen hinter den Gardinen auftauchte, die Zeitung aus dem Briefkasten holte und wie sie die Rosen an der Hauswand beschnitt. Es war wie ein Film über Sophie Brinkmanns Seelenleben. Er lachte und staunte darüber, dass er, der selten in solchen Kategorien dachte, durch einen Zufall auf diese Frau gestoßen war, über die er jetzt alles wusste.
Lars druckte seine Lieblingsbilder aus, legte sie in eine Mappe, malte eine Blume auf das Deckblatt und schob die Mappe in eine Schublade.
––––––––
»Sophie?«
Eine Frau sprach sie mit ihrem Namen an, sie war um die fünfzig und kam ihr auf dem Klinikflur entgegen.
»Ich heiße Gunilla Strandberg und würde gern ein paar Worte mit Ihnen reden.«
Sophie nickte und lächelte ihr Krankenschwesterlächeln.
»Ja, natürlich.«
Gunilla sah sich um, und Sophie begriff, dass sie nicht auf dem Flur sprechen wollte.
»Kommen Sie.«
Sophie führte Gunilla in ein Krankenzimmer und machte die Tür hinter ihnen zu.
Gunilla öffnete ihre Handtasche, zog eine Lederbrieftasche heraus und kramte darin herum. Schließlich fand sie, was sie zwischen alten Quittungen und einzelnen Scheinen gesucht hatte. Sie hielt Sophie einen Dienstausweis hin.
»Ich bin Polizistin. Gunilla Strandberg. Ich möchte nur mit Ihnen reden.«
Unwillkürlich schlang Sophie die Arme um ihren Oberkörper.
»Sie haben mich wiedererkannt?«, fragte Gunilla.
»Ja, ich habe Sie hier schon einmal gesehen. Sind Sie die Angehörige eines Patienten?«
Gunilla schüttelte den Kopf. »Können wir uns setzen?«
Sophie nahm einen Stuhl und schob ihn Gunilla hin. Sie selbst setzte sich auf eines der Betten. Gunilla schwieg, sie schien nach Worten zu suchen. Sophie wartete ab. Nach einer Weile sah Gunilla auf.
»Ich leite eine Ermittlung.« Gunilla Strandberg schien immer noch bemüht, die richtigen Worte zu finden. »Sie sind mit Hector Guzman befreundet?«, fragte sie.
»Mit Hector? Nein, das kann man so nicht sagen.«
»Aber Sie treffen sich?«
Das war eher eine Feststellung als eine Frage.
Sophie sah Gunilla an. »Wieso?«
»Ach, ich stelle nur ein paar Fragen. Wie nahe stehen Sie sich?«
»Er war Patient, und wir haben ein bisschen geredet. Was wollen Sie von mir?«
Gunilla holte tief Luft und lächelte über ihre eigene Ungeschicklichkeit.
»Verzeihen Sie, wenn ich aufdringlich bin, ich werde es nie lernen.« Sie sammelte sich und schaute Sophie in die Augen. »Ich … ich brauche Ihre Hilfe.«
Michail war untergetaucht. Buchstäblich. Nur um Haaresbreite war er den Schüssen entkommen, die die Männer auf ihn abgefeuert hatten. Neben sich hörte er das Surren der Projektile und das Zischen des Wassers. Bald zwang ihn der Sauerstoffmangel an die Oberfläche.
Der geschwungene Schiffsboden rettete ihm das Leben: Von oben konnten die Männer nicht unter die Wölbung schauen. Michail versteckte sich dort und verhielt sich
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