Unbescholten: Thriller (German Edition)
treffen?«
»Nach Dänemark«, antwortete Aron. »Wir suchen einen ruhigen Platz auf Jütland und legen dort im Schutz der Dunkelheit an.«
»Und dann?«
»Wir können dir dort ein Auto besorgen.«
Um sie herum war alles still, während sie durch die Dunkelheit schaukelten.
In den letzten Stunden hatte Jens im Kopf alle Möglichkeiten durchgespielt. Er hatte überlegt, die Waffen in Dänemark zu lassen und zu versuchen, sie später nach Deutschland zu schaffen. Er hatte sogar erwogen, die Russen anzurufen und ihnen zu sagen, dass sie die Ware irgendwo abholen sollten. Aber darauf würden die sich nicht einlassen. Die Waffen sollten nach Polen. Er musste sich an die Vereinbarung halten. Wie er das hinbekam, musste er sich noch überlegen. Jetzt würde er erst einmal zusehen, nicht auf See geschnappt zu werden.
Jens nahm sein Handy aus der Tasche und suchte eine Telefonnummer aus seinem Adressbuch. Er ließ es ein paarmal klingeln. Als am anderen Ende jemand abnahm, lächelte er.
»Oma, ich bin’s! Der Empfang ist schlecht, aber ich bin in Dänemark, ja, Jütland … auf Arbeit. Ich komme morgen oder übermorgen bei dir vorbei.«
Leszek hörte das Boot zuerst.
»Es kommt«, sagte er und kletterte auf die Brücke. Er legte sich auf das Dach und verfolgte das sich nähernde Boot durch sein Zielfernrohr.
Die See war ruhig, in der Dunkelheit war entfernt das Geräusch von Motoren zu hören. Jens erkannte einen Fischkutter, der sich näherte.
Der Kutter legte sich neben den Frachter. Eine Stimme rief nach Aron, ein Mann kletterte an Bord, er war dunkelhäutig, ein Inder vielleicht. Er lächelte Aron an und breitete die Arme aus.
»Was haben wir hier zu suchen, Aron, auf dem weiten, weiten Meer?«
Aron lächelte und zeigte auf Jens. »Er hier fährt ein Stück mit. Und ein paar Kisten, die ihm gehören.«
Der Mann drehte sich zu Jens um und betrachtete ihn kurz.
»Willkommen, ich heiße Thierry.«
Jens grüßte.
»Was ist in deinen Kisten?«, fragte Thierry.
»Er transportiert automatische Waffen«, antwortete Aron.
»Okay. Aron, hast du mir mitgebracht, worum ich dich gebeten habe?«
Aron zog eine Tasche hervor. Thierry öffnete den Reißverschluss. Jens konnte fast hören, wie er nach Luft schnappte, als er die kleine Steinfigur sah, grau und unscheinbar. Thierry hielt sie ins Licht. Sie gehörte zu einem Kulturschatz der Inka, ihr genauer Wert ließe sich nur schwer feststellen, sagte er. »Danke, Aron.«
»Don Ignacio hat sie dir besorgt.«
»Sie ist auf unserem Weg an Land ein gutes Gegengewicht zu deinen Waffen und unserem Kokain. Sie hat positive Kräfte.«
––––––––
Von dem Geld, das Gunilla ihm zu diesem Zweck überwiesen hatte, hatte Lars einen Volkswagen gekauft. Es war ein weißer Kastenwagen. Der geräumige Laderaum war durch eine Wand von den Vordersitzen getrennt, in einer der beiden Hintertüren befand sich eine einzelne Scheibe aus Spiegelglas.
Das Auto stand etwa siebzig Meter oberhalb von Sophies Haus auf einem Kiesweg. Lars hatte sich einen alten, abgenutzten Sessel besorgt, der jetzt mitten im Laderaum stand. Dort saß er mit seinen Kopfhörern und lauschte, wie Familie Brinkmann zu Abend aß.
Lars hatte sie jetzt zwei Wochen lang beschattet, doch es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Während dieser Tage, Abende und Nächte, in denen er ihr gefolgt war, sie fotografiert, über sie nachgedacht und inhaltslose Berichte für Gunilla verfasst hatte, hatte sich etwas in ihm verändert. Aus einem unerfindlichen Grund fühlte er sich ein wenig freier, ein wenig stärker und ein wenig ruhiger. Woher diese Veränderung gekommen war, wusste er nicht. Vielleicht war es reiner Zufall, oder es lag an seiner neuen Arbeit, vielleicht war es aber auch das Ergebnis dieser Tage vollkommenen Alleinseins? Oder war es Sophie Brinkmanns Verdienst? Jener Abend, an dem er sie und ihre Freundin verfolgt hatte, war wie eine Offenbarung für Lars gewesen. Sie hatte ihm klargemacht, was er haben wollte und wie er es haben wollte. Sie hatte ihm etwas eröffnet, und er spürte, wenn sie so etwas für ihn tun konnte, dann musste er dasselbe auch für sie tun können. Er wusste, dass sie etwas miteinander verband – und dass sie das auch fühlen musste.
Die letzten Stunden seiner Schicht verbrachte er halb liegend in seinem Sessel. Mit einer Leatherman-Kopie schnitt er sich die Fingernägel und belauschte Sophie, die in ihrem Bett lag und ein Buch las. Das Einzige, was er hörte, war von
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