Unbescholten: Thriller (German Edition)
hilft.«
Sie fuhr an einem Lastwagen vorbei, der in zweiter Reihe parkte.
»Sie werden Teil von etwas Gutem sein. Unsere Arbeit wird dank Ihrer Beobachtungen zu Ergebnissen führen.«
Gunilla sah Sophie an. Sie strahlte Ruhe aus, nichts schien sie aus dem Gleichgewicht bringen zu können. Sie fuhren jetzt auf dem Valhallavägen Richtung Lidingö.
»Ich habe es Ihnen angesehen, als Sie aus seinem Zimmer kamen. Ich saß auf einer Bank im Flur. Sie haben mich nicht bemerkt, aber ich Sie.«
Sophie schwieg.
»Ich habe recherchiert, wer Sie sind. Eine Witwe mit Sohn, eine Krankenschwester, die von dem lebt, was ihr Mann ihr hinterlassen hat. Aber die Begegnung mit Hector Guzman hat Sie verändert, nicht wahr?«
Sophie fühlte sich sichtlich unwohl.
»Ich will aufrichtig zu Ihnen sein, Sophie, sonst wird das hier nicht funktionieren. Zu dieser Aufrichtigkeit gehört auch, dass ich Ihnen erkläre, wie ich arbeite und was Sie von mir erwarten können.«
»Was kann ich von Ihnen erwarten?«
Sie überholten einen Lastwagen.
»Ich bin ebenfalls Witwe, mein Mann starb vor vielen Jahren.«
Sophie sah zu ihr herüber.
»Ich weiß, dass Ihr Vater tot ist. Ich weiß, wie sich das anfühlt, ich kenne die Leere, die niemals ganz verschwindet, und das Gefühl der Einsamkeit. Auch meine Eltern sind nicht mehr da.«
Sie fuhren über die Lidingöbro. Auf dem glitzernden Wasser unter ihnen fuhren Motorboote und Segelschiffe.
»Und in dieser Einsamkeit liegt etwas, das ich nie verstanden habe, ein Gefühl von Scham.«
Gunillas Worte trafen Sophie schwer. Sie schaute weiter aus dem Fenster. Gunilla schien ihr Gefühlsleben ganz gut durchschaut zu haben.
»Wissen Sie, was ich meine?«
Sophie wollte zuerst nicht antworten, doch dann nickte sie.
Schließlich erreichten sie einen Kiesweg, der zwischen Laubbäumen zu einem kleinen Holzhaus führte.
»Hier wohne ich«, erklärte Gunilla.
Gunilla zeigt ihr den Garten, ihre Pfingstrosen und Rosen. Sie nannte deren Namen und Ursprung und wie sie sich in unterschiedlichen Böden und zu bestimmten Jahreszeiten verhielten. Sophie war beeindruckt von Gunillas Wissen. Sie selbst mochte Blumen, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie hießen oder wo sie wuchsen.
Gunilla bat Sophie, auf einem weißen Holzstuhl Platz zu nehmen. Gunilla setzte sich ihr gegenüber und nahm einen Ordner auf den Schoß.
Sie wollte etwas sagen, entschied sich jedoch dagegen. Wortlos reichte sie Sophie den Ordner.
»Ich hole uns etwas zu trinken. Schauen Sie doch inzwischen mal hier hinein.«
Gunilla stand auf und ging ins Haus. Sophie schaute ihr eine Weile nach, dann schlug sie den Ordner auf. Das Erste, was sie sah, war der Ermittlungsbericht eines Mordfalls. Hectors Name kam in jeder zweiten Zeile vor.
Sophie blätterte um. Der Ordner enthielt weitere amtliche Dokumente sowie eine Reihe Akten zu verschiedenen Mordfällen. Die Berichte reichten bis in die Achtzigerjahre zurück. Sophie betrachtete die Bilder der Mordopfer. Sie sah einen Mann, der auf dem Boden in einer Blutlache lag. Dann einen offensichtlich erschossenen Mann in einem Auto. Einen Mann im Anzug, der von einem Baum im Wald baumelte. Schließlich einen aufgedunsenen nackten Mann in einer Badewanne. Sophie schaute sich die Bilder vom Tatort an. Dann sah sie Familienbilder, Männer mit Frauen und Kindern. Es waren unterschiedliche Motive, meist Urlaubsfotos, aber auch Bilder von Familienessen, Grillabenden im Garten sowie eine Weihnachtsfeier. Die Männer sahen fröhlich aus, ihre Kinder und Frauen auch. Aber die Männer waren nun tot, ermordet.
Sophie schlug die Akte zurück an den Anfang und blickte auf ein vergrößertes Foto von Hector. Er schaute ihr direkt in die Augen.
Sonya Alizadeh hockte auf allen vieren in dem großen Doppelbett. Hinter ihr kniete Svante Carlgren. Er war viele Jahre älter und bedeutend hässlicher als sie. Sonya täuschte einen Orgasmus vor und schrie ins Kissen.
Eigentlich stand Svante Carlgren auf ambitioniertere Dinge, aber heute hatte er es eilig, er hatte nur eine halbe Stunde, bevor er zu einem Geschäftsessen musste. Es gefiel ihm, sich ab und zu für einen Quickie davonzustehlen. Sonya war seine Sexgöttin. Sie hatte langes schwarzes Haar und eine zurückhaltende, geradezu mystische Art.
Carlgren hatte sie vor einem Jahr auf einer Theaterpremiere kennengelernt, die er mit seiner Frau besucht hatte. Sie waren in der Pause am Sektausschank zusammengestoßen. Dabei hatte sie ihm versehentlich Champagner
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